Ingolstadt
"Mit dem Salz sind auch wir auf die Nase gefallen"

17.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:15 Uhr

Er ist so etwas wie Ingolstadts oberster Schneemann – und deshalb haben wir Thomas Schwaiger in der aktuellen Verschnaufpause gefragt, welche Lehren die Kommunalbetriebe aus dem unerwartet frühen und harten Wintereinbruch ziehen. - Fotos: Rössle, Herbert/ Fotomontage: Herbert

Ingolstadt (DK) Die erste harte Winterphase ist vorbei – laut dem Deutschen Wetterdienst hatten wir mit der größten Schneelast seit 1969 zu kämpfen. Da stöhnten Bürger und Winterdienste, die den weißen Massen kaum mehr Herr wurden. Unsere Redakteurin Silvia Obster hat sich mit dem Leiter der Ingolstädter Kommunalbetriebe, Thomas Schwaiger, darüber unterhalten, welche Konsequenzen nun gezogen werden, damit er für den nächsten heftigen Wintereinbruch besser gerüstet ist.

Der Dreikönigstag wurde für viele Bürger zur glatten Katastrophe. Gerade die drei Brücken der Stadt waren vom Blitzeis überzogen und damit für Fußgänger und Radfahrer richtig gefährlich.
 

Schwaiger: Das war auch das Bild, das sich bei unseren Kontrollen ergab. Aber den Vorwurf, dass wir dort eineinhalb Tage lang nichts getan haben, kann ich zurückweisen. Wir haben uns gerade auf den Brücken nicht lumpen lassen – die Einsatzprotokolle liegen vor. Mit Aufzeichnungen wird das alles genau protokolliert. Trotzdem war es ein Winter, bei dem man sagen muss: Da müssen wir uns Gedanken machen für den Fall, dass noch einmal so einer eintritt. Da müssen wir besser werden.

Worin genau bestand denn das Problem?

Schwaiger: Die Brücken sind kontrolliert und gestreut worden und das Streuen wurde wiederum kontrolliert. Das ist alles nachweisbar. Jetzt ist die Frage: Warum taut das Eis nicht auf? Die Straßenoberflächentemperatur lag an diesem Tag bei 4,4 Grad minus, das ist schon streng. Die Brücken hatten hingegen eine Oberflächentemperatur von 7,5 Grad minus. Da taut das Eis eben nicht mehr so schnell, das hat bis Mittag gedauert. Was noch hinzukommt, war der Fluch des Feiertages, weil wir ja auch mit dem Verkehr arbeiten: Also wenn das Salz einmal ausgebracht ist, arbeiten der Verkehr, die Fußgänger und Radfahrer das Salz in den Boden ein. Darauf sind wir in gewisser Weise auch angewiesen. Und das war an diesem Tag nicht der Fall. Darum hat das alles länger gedauert als man es vielleicht gewohnt ist.

Aber am Freitag war das Eis doch immer noch da.

Schwaiger: Es ist wieder zugefroren. Deshalb einfach zu sagen, dass auf den Brücken nichts getan wurde, ist falsch. Man kann vielleicht drüber diskutieren, was gewesen wäre, wenn wir nicht mit Fahrzeugen, sondern mit Handtrupps über die Brücken gegangen wären. Die sieht dann wenigstens jeder – anders als das Fahrzeug, das gleich wieder weg ist.

Es kommt doch auf den Effekt an – egal ob eine Maschine oder ein Handtrupp streut.

Schwaiger: Richtig. Handtrupps richten nicht mehr oder weniger aus als ein Fahrzeug, das die gleiche Menge Salz streut. Sie hätten vielleicht noch abstumpfendes Material, wie Split oder Blähschiefer, hinbringen können, wie es auch an anderen Gefahrenstellen in der Innenstadt passiert ist. Aber dann hätten wir diese Handtrupps von anderswo abziehen müssen. Die Frage ist, wie sinnvoll das ist. Denn wenn man die Donaubrücken von Hand macht, obwohl es sich wegen der langen, geraden Strecken anbietet, dort maschinell zu arbeiten, sinkt die Leistung an Bushaltestellen und Fußgängerüberwegen. Das ist ja auch nicht unbedingt richtig. Trotzdem werden wir auch das für unseren Plan B diskutieren.

Wenn nun jemand gestürzt wäre und sich etwas gebrochen hätte, wer müsste dann haften?

Schwaiger: Dann wäre die Versicherung auf uns zugegangen und wir hätten uns rechtfertigen müssen. Dabei wären unsere Protokolle zum Einsatz gekommen, mit denen wir hätten nachweisen müssen, ob wir früh genug da waren und uns nach unserer Leistungsfähigkeit darum gekümmert haben.

Ganz grundsätzlich: Welche Lehren haben Sie aus dem harten Wintereinbruch im Dezember gezogen?

Schwaiger: Wir sind mittlerweile auch von Seiten der Stadtspitze darauf hingewiesen worden, Vorschläge zu machen, wie ein Plan B – also über den normalen Winterdienst hinaus – aussehen könnte. Einer davon ist etwa die Errichtung eines interkommunalen oder regionalen Salzlagers. Wir haben über 30 Jahre mit 2000 Tonnen Salz den Winterdienst bestritten. In diesem Jahr mussten wir bislang zwar nicht drastisch sparen, aber wir hatten Einschränkungen. Auf den Radwegen haben wir zum Beispiel vor Weihnachten mit dem Salzen aufgehört und mit Split sowie Blähschiefer gearbeitet. Das hat natürlich nicht dieselbe Qualität wie das Salz.

Warum musste denn überhaupt mit dem Salz gespart werden?

Schwaiger: Wir hatten für dieses Jahr einen so genannten Winterbezug organisiert. Das ist eine vertragliche Regelung: Wenn die ersten 600 Tonnen aus dem Lager draußen sind, werden innerhalb kürzester Zeit 600 Tonnen nachgeliefert. Das hatte der bayerische Städtetag so empfohlen. Doch damit sind wir, wie alle anderen auch, auf die Nase gefallen. Der Vertrag wurde nicht eingehalten. Die Lehre für uns ist: Was nicht auf Lager liegt, hast du nicht. Das Salz war zum richtigen Zeitpunkt nicht da. Und das soll nicht mehr passieren.

Ist Ihnen das Salz also ausgegangen?

Schwaiger: Nein. Wir haben noch Salz. Wir können noch halbwegs arbeiten, wir haben auch von diesen 600 Tonnen noch Teillieferungen erhalten. Trotzdem müssen wir wieder bangen, dass es ausgeht. Anderen Städten ist es schon vor Weihnachten ausgegangen. Uns geht es also nicht schlecht, wir jammern da vielleicht auf hohem Niveau. Aber wir hätten die Qualität unseres Dienstes besser aufrechterhalten können, wenn wir für diese Schneemassen genug Salz gehabt hätten. In einem anderen Winter wäre es uns wahrscheinlich übrig geblieben. Wir hatten Winter, da brauchten wir nur 400 Tonnen.

Und wie soll es jetzt weiter gehen? Setzen Sie sich mit jemanden zusammen und besprechen die Lage?

Schwaiger: Wir werden uns im Frühjahr zusammensetzen, um Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge auszutauschen. Zudem werden wir uns Ideen für den Plan B überlegen, mit denen der normale Winterdienst ergänzt werden soll. Konkret werden wir etwa schauen, wie man die Zusammenarbeit mit Fremdfirmen, landwirtschaftlichen Betrieben und Landbauunternehmen intensivieren kann, um zusätzliche Kapazitäten zu haben. Sicherlich wird sich auch eine politische Diskussion über Prioritäten entwickeln: Gekümmert wird sich derzeit zuerst um die Hauptverkehrsachsen, dann um Buslinien und Radwege. Für Nebenstraßen in Wohngebieten sind wir nicht zuständig – außer wenn Gefahr in Verzug ist. Das war in diesem Jahr drei Mal der Fall.

Nun soll zeitweise in den Supermärkten sogar das Speise- und Geschirrspülsalz ausgegangen sein, weil die Bürger es zum Streuen benutzt haben. Hilft das überhaupt?

Schwaiger: Ja, das hilft genauso. Salz ist Salz, es erniedrigt den Gefrierpunkt des Wassers. Jetzt werden Sie fragen, warum wir als Winterdienst nicht etwa mit Speisesalz streuen, wenn unser Natriumchlorid ausgeht. Im vergangenen Jahr fuhren wir mit unseren Einsatzfahrzeugen versuchsweise feines Salz aus. Das funktionierte mit unserer Maschinentechnik aber nicht richtig. Wir haben es dann mit groben Salz gestreckt, das ging besser. Trotzdem ist natürlich gerade das feinkörnige Salz bei Blitzeis ungeheuer wirksam. Denn bis das große Korn auftaut, dauert es einfach länger als wenn viele kleine wirken. Gerade bei Wetterverhältnissen, wie am 6. Januar in der Früh, wäre diese Feinkörnigkeit besser gewesen.

Wie viel Salz haben Sie denn verbraucht in dieser ersten heißen Winterphase?

Schwaiger: Wir haben 2000 Tonnen eingelagert und nun um die 1700 bis 1800 Tonnen verbraucht. Wir haben also noch einen kleinen Rest und 500 Tonnen in Bestellung. Dennoch könnten wir damit am Ende sein, wenn in den nächsten Wochen noch einmal so viel Schnee auftritt.