Mit allen Sinnen

15.02.2007 | Stand 03.12.2020, 7:03 Uhr

München (DK) Wahnsinnig aufregend hört es sich nicht gerade an: "Ausstellung der Träger des Bayerischen Kunstförderpreises 2006". Aber die Ausstellung, die in der Galerie der Künstler in der Münchner Maximilianstraße gezeigt wird, enttäuscht nicht. Wie so oft bei den Bayerischen Förderpreisen in Sachen Gestaltung sind auch bei der Kunst absolut überzeugende Arbeiten von vielversprechenden jüngeren Künstlern zu sehen, die bereits Erfahrungen jenseits der Akademien gesammelt haben.

Nicht einmal die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten kommt zu kurz. Die Malerin Ingrid Floss, bei der man am ehesten noch den Lehrer und Koloristen Jerzy Zeniuk im Hintergrund vermuten könnte, präsentiert geradezu berauschende malerische Expressionen, bei denen die Loslösung der Farbe von Form und Fläche zum Thema wird. Die großformatigen Gemälde besitzen trotz der starken räumlichen Dynamik der Farbflächen, die neben- und übereinander liegen, eine faszinierende Ausgeglichenheit und damit auch Ruhe.

Der zweite Maler, Christian Hiegle aus Nürnberg, interessiert sich besonders für die Darstellung von Licht auf den von ihm gemalten Impressionen. Die unterschiedlich großen Bilder sind in gedeckten Farben gehalten und sind in der Ausstellung zu Ensembles gruppiert. Sie widmen sich alltäglichen Motiven aus Hiegles Umgebung: Landschaften, Gegenständen und Menschen. Der Künstler analysiert den Prozess des Malens und so werden seine wie beiläufig hingeworfen wirkenden Werke in Wirklichkeit durchdachte akkurate Bilder.

Raumgreifende Vitalität verströmen hingegen die Werke der anderen drei Preisträger. Die Münchnerin Veronika Veit schafft eine totale Modellwelt, die die Kuratoren als "Rückübersetzung einer cleanen Bildschirmästhetik in die Dreidimensionalität" beschreiben.

Verstörend wirkt nicht nur die im Maßstab eins zu drei gebaute, von mehreren Menschen begangene Treppe (wohl eines Schwimmbad-Sprungturms), unter der sich ein rundes Bassin mit Monitor befindet. Eine geradezu beängstigende Arbeit ist das Flugzeug, das von Schläuchen umwickelt auf dem Boden liegt. Ein davor platzierter Monitor, der durch die Schläuche mit der Installation verbunden ist, präsentiert das Debakel: Die Schläuche sind durchtrennt und schlackern hilflos herum: Horrorvision eines Weltraumfahrers.

Eine sehr assoziationsreiche Arbeit stammt von Michael Schrattenthaler. Seine Installation "Durchlauferhitzer" besteht aus zusammengelöteten Kupferrohren, wie man sie für Heizungen verwendet. Mit den Rohren umfährt der Künstler einen Arbeitsplatz mit Schreibtisch, Bildschirm, Tastatur, Lampe, Stuhl. Ein technisch ausgefeiltes System mit Wasserpumpe, Thermostat, diversen Reglern und dem Erhitzer sorgt dafür, dass warmes Wasser wie bei einer Fußbodenheizung durch die Rohre strömt. Das erinnert an die Energie, die an einem Schreibtisch freigesetzt wird, ebenso wie an unsere Abhängigkeit von der Energie: Ohne Strom kein Computer, kein Licht. Und ohne Heizung keine kreative Leistung, jedenfalls nicht im Winter.

Mit Musik und Klang betört der Nürnberger Florian Tuercke die Besucher. Seine kugelrunden, perfekt hochglanzlackierten Klangkörper sind kunstvoll im Raum verankert und mit Saiten verspannt. Entweder wird der Besucher zur Interaktion mittels Streicherbogen eingeladen, oder ein Elektromagnet erzeugt eine Dauerschwingung. Je nach Akustik des Raums ist dann ein ständiger Sinuston hörbar. Und so fördert die Schau nicht nur die Preisträger, sie schärft auch die differenzierte Wahrnehmung der Besucher mit allen Sinnen.