Enkering
Mister Pins große Leidenschaft

Ein Teil von Erhard Brücherts Nachlass ist in der Ausstellungsscheune in Enkering zu sehen

31.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:14 Uhr

Sammelleidenschaft in der Scheune: In Enkering ist derzeit die Ausstellung „Die Welt im Pin“ zu sehen. Anke Brüchert zeigt dabei Anstecknadeln, Münzen und andere Souvenirs, die ihr Vater Erhard Brüchert bei vier Expos zusammengetragen hat. In Japan wurde der Sammler unter dem Namen Mister Pin bekannt. Seine erste Anstecknadel kaufte er nach einem Santana-Konzert bei der Expo 2000 in Hannover. Für die Expo 2010 in Shanghai ließ er 2010 durchnummerierte Pins anfertigen - Fotos: ksm

Enkering (EK) „Die Welt im Pin“ heißt die Ausstellung, die noch bis 13. September in der Ausstellungsscheune in Enkering zu sehen ist.

Anlässlich der diesjährigen Expo in Mailand zeigt Anke Brüchert dabei einen Teil der Sammlung ihres Vaters, Erhard Brüchert, der in Japan als Mister Pin bekannt wurde. Würden Sie bitte einen Pin mit mir tauschen? In wie vielen Sprachen Erhard Brüchert diese Frage stellen konnte, weiß Tochter Anke nicht zu sagen. Viele seien es wohl geworden in den insgesamt zehn Jahren, in denen Erhard Brüchert Tausende von Anstecknadeln zusammengetragen hat. Bei Messen, Olympiaden, bei Fußballturnieren. Aber vor allem bei Weltausstellungen. Bei der Expo 2000 in Hannover kaufte er seine erste Nadel, bei der Expo 2005 im japanischen Aichi erhielt er den Spitznamen Mister Pin, bei der Expo 2010 in Shanghai starb der Sammler – 64-jährig. „Er war am Ziel seiner Träume“, sagt Anke Brüchert.

Fünf Jahre später, zur diesjährigen Weltausstellung in Mailand, ist ein Stück dieser Sammelleidenschaft in Enkering zu sehen. Zu schade wäre es gewesen, die Anstecknadeln einfach zu entsorgen. „Obwohl mein Vater es mit dem Sortieren nicht so hatte“, verrät Anke Brüchert und lacht. Das sei ihre Aufgabe gewesen. Zeitungen, Briefmarken, Münzen, T-Shirts – alles, womit Mister Pin sein komplettes Haus angefüllt hatte, habe sie nach seinem Tod radikal ausgemistet. Nur die Pins nicht. „Das hätte ich mir nie verziehen, zu sehr hing er an ihnen.“

Dabei entzündete sich das Pin-Feuer bei Erhard Brüchert eher zufällig. Der aus Braunschweig stammende Hausarzt lebte in der Nähe von Göttingen, praktizierte dort 16 Jahre. Danach hatte er wechselnde Jobs, war Nachtportier in einem Hotel, hat bei einer Autoüberführung in der Sahara mitgemacht. Bei der Expo 2000 arbeitete er im Backoffice mit, unternahm Botenfahrten mit einem kleinen Elektrofahrzeug. Nach einem Konzert von Carlos Santana war Brüchert auf der Suche nach einem günstigen Souvenir. „Und das war eben ein Pin“, weiß Anke Brüchert. Diesen steckte sich Erhard Brüchert an den Hut, wurde oft auf ihn angesprochen und fing an, mit unzähligen Mitarbeitern und Besuchern zu tauschen. Eine Leidenschaft war geboren.

Sie führte dazu, dass Erhard Brüchert von Expo zu Expo fieberte. „Es war für ihn selbstverständlich, immer möglichst lange dabei zu sein“, erinnert sich Tochter Anke. Vier Expo-Besuchen sind bei der Ausstellung jeweils Poster und Vitrinen gewidmet. Überall könne man einen Berg an Pins anhäufen, wenn man wollte, sagt Anke Brüchert. Exemplarisch haben Studenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt darum Souvenirs ausgewählt und sie anhand eines eigens entwickelten Konzepts präsentiert. „Ich habe selbst Kulturwissenschaften studiert. Warum also nicht die Uni fragen, ob sie aus dem Nachlass meines Vaters etwas machen will“, sagt Anke Brüchert. In einem Volkskundeseminar sei so die Ausstellung entstanden, mit minimalistischen Mitteln wurde sie umgesetzt. „Manche Vitrinen sind eigentlich Aquarien“, verrät Anke Brüchert und lacht. „Für eine hat mein Mann ein altes Fenster umfunktioniert, das die Renovierung unseres Hauses nicht überlebt hat.“ Denn der Grund dafür, warum Mister Pin in Enkering ein Denkmal gesetzt wird, ist ganz einfach, dass seine Tochter seit 2011 dort lebt.

Die Masse steht in der zum Haus gehörenden Scheune systematisch aufgebauten Stationen gegenüber. Und auch kritische Töne gibt es in der Ausstellung. „Eine Expo ist eine teure Großveranstaltung, bei denen sich die Länder von ihrer besten Seite zeigen. Das ist aber eben nur die halbe Wahrheit“, sagt Anke Brüchert und verweist auf eine Vitrine, in der unter anderem ein quietschbunter Heidi-und-Geißenpeter-Pin vor Zeitungsartikeln liegt, die von Ölkatastrophen und Zwangsenteignung erzählen.

Dass die schöne heile Expo-Welt zwei Seiten hat, habe ihr Vater auch am eigenen Leib erfahren. Während er im japanischen Aichi als Mister Pin in Fernsehberichten und in Zeitungen präsent war – „Der Name ,Erhard Brüchert’ war für die Leute dort wohl zu schwer auszusprechen“, mutmaßt Anke Brüchert über die Herkunft des Namens –, habe er sich bei seinen Landsleuten nicht willkommen gefühlt. „Die Deutschen wollten ihn nicht in ihrem Pavillon haben, er erschien ihnen wohl zu merkwürdig mit seiner zielstrebigen Sammelleidenschaft“, sagt Brüchert und zuckt die Schultern. So habe er sein Lager eben bei den Afrikanern aufgeschlagen. Und weil er sich bei ihnen so wohl gefühlt hatte, nach der Heimreise prompt den Verein Globalafriculture gegründet – natürlich mit eigener Anstecknadel.

Unzählige Kisten mit Post, Korrespondenz mit der ganzen Welt: Auch das gehörte zur Sammelleidenschaft Erhard Brücherts. Die letzte Vitrine der Ausstellung beinhaltet die wichtigsten Stücke aus dem Leben des Mister Pin. Seine ersten Nadeln. Sein Expo-2000-Käppi, seinen Backoffice-Ausweis. Fotos und Briefe von Freunden, die er auf den Expos immer wieder getroffen hat. Und die Pakete mit den 2010er Pins, die er eigens für die Expo 2010 in Shanghai hat anfertigen lassen, mit Seriennummer, zum Tauschen. Das Gros der Nadeln kam nach seinem Tod zurück.

Die Reise dorthin hatte Erhard Brüchert mehrmals aus Gesundheitsgründen verschieben müssen. Letztlich verbrachte er eine Woche in China, bevor er am 9. Oktober dort starb. „Er hat nie viel Rücksicht auf seine Gesundheit genommen. Dafür haben ihm die Pins und die Expos zu viel Spaß gemacht“, sagt Tochter Anke. Eines der Ziele eines Sammlers: Vollständigkeit. „Mein Vater sagte immer voller Stolz, er habe die Expo 2000 komplett.“