Misstrauen im Betrieb

Kommentar

06.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:05 Uhr

Bei Kindern fällt das Urteil eindeutig aus: Wenn sich der Nachwuchs zweimal in Folge wegen einer Dummheit eine blutige Nase holt, ist er halt ein bisserl stur. Sorgen machen sich Eltern deswegen nur in den seltensten Fällen, irgendwann gibt sich das meistens ohne weiteres Zutun.

Schließlich ist die Lernfähigkeit etwas, dass sich jeder Mensch erarbeiten muss.

Aber menschliche Verhaltensweisen haben in einem modernen Betrieb wohl keinen Platz mehr. Wie sonst ließe sich erklären, dass Audi - immerhin 116 Jahre nach der Gründung des Unternehmens und damit den Kinderschuhen längst entwachsen - schon wieder mit einer Schummellösung zur Verschleierung der Verbrauchs- und Abgas-Werte am Pranger steht? Statt reinen Tisch zu machen, haben die Verantwortlichen wohl gehofft, dass niemand Trickserei Nummer zwei finden würde.

Während die Ingolstädter bei Diesel-Gate mehr oder minder im Windschatten von VW segelten, und die Konzernmutter den Großteil der Prügel einstecken musste, gibt es diesmal wohl keinen solchen Schutzschild mehr.

Die Verkaufszahlen der kommenden Monate werden zeigen, ob der Betrug die mögliche Kundschaft dazu bringt, eben keinen Audi mehr zu ordern. Sorgen muss sich die Unternehmensspitze aber nicht nur wegen der Außenwirkung machen: Das wesentliche Kapital des Unternehmens sind motivierte Mitarbeiter. Deren Geduld ist schon mit der Schummelsoftware zur Einhaltung der Abgas-Werte über Gebühr beansprucht. Sie bezahlen die Betrügereien der Unternehmensspitze nicht nur mit geringeren Prämien, sondern langfristig auch mit der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Das Gefühl, die Führungsriege nicht an ihrer Seite zu wissen, wird immer stärker. Dieses Misstrauen schadet Audi mehr als eine Stagnation bei den Verkaufszahlen.