Berlin
Droht eine Kampfabstimmung?

Koalitionsspitzen finden erneut keinen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl

06.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:05 Uhr

Berlin (DK) Präsidentengipfel im Bundeskanzleramt - gestern Nachmittag rollten die dunklen Limousinen wieder durch das Tor der Regierungszentrale im Berliner Tiergarten. Kurz nach 15 Uhr begann der Poker. Das Treffen sollte Klarheit darüber bringen, wer sich am 12. Februar des kommenden Jahres in der Bundesversammlung zur Wahl des künftigen Staatsoberhauptes stellen und schließlich Nachfolger von Joachim Gauck werden soll.

Für das Sechs-Augen-Gespräch der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD waren zwei Stunden geplant. Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel ringen seit Wochen um eine Lösung. Doch bereits vor der Spitzenrunde im Kanzleramt hatten sich die Fronten weiter verhärtet: Während SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann sich erneut für Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier als Kandidaten starkmachten, lehnen Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer den SPD-Politiker weiter ab, sind längst auf der Suche nach einem eigenen Kandidaten. "Unsere Haltung bleibt klar: Als Bundespräsident kommt nur eine exzellente Persönlichkeit infrage. Frank-Walter Steinmeier ist dafür ein guter Maßstab", bekräftigte Oppermann erneut.

Geht die SPD anders als zunächst geplant mit einem eigenen Bewerber in die Präsidentenwahl? Will sie Frank-Walter Steinmeier auch gegen die Union durchsetzen und damit ein Signal in Richtung Bundestagswahl geben? Oder gelingt doch noch ein Konsens in der Frage, wer im kommenden Jahr ins Schloss Bellevue einziehen soll? Eigentlich hatten Union und SPD nach der Rückzugsankündigung von Bundespräsident Gauck vereinbart, nach einem gemeinsamen Kandidaten zu suchen und mit ihm in die Wahl zu gehen, um ein Zeichen der Geschlossenheit zu setzen und einen Präsidentschaftswahlkampf zu verhindern. Merkel und Seehofer fordern jetzt von Gabriel, nicht auf Steinmeier zu bestehen. Das Vorpreschen des SPD-Chefs und die Festlegung auf den Bundesaußenminister entgegen der ursprünglichen Absprachen waren in der Union auf Kritik gestoßen.

Merkel und Seehofer lehnen Steinmeier als gemeinsamen Bewerber ab, suchen intensiv nach einem eigenen Kandidaten, sollte es nicht doch noch eine Einigung mit dem Koalitionspartner geben. Die Union stellt in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, mit Abstand die meisten Wahlmänner und -frauen. Vor allem in der Bundestagsfraktion von CDU und CSU erwartet man von der Kanzlerin, einen Kandidaten aus den eigenen Reihen durchzusetzen.

Ob es doch noch gelingt, einen gemeinsamen schwarz-roten Anwärter fürs Präsidentenamt zu präsentieren, scheint zunehmend fraglich. Auch der gestrige Tag brachte keine Entscheidung. Inzwischen deutet immer mehr darauf hin, dass beide Seiten eigene Bewerber aufstellen werden. Dann würde einer Kandidatur Steinmeiers für die Sozialdemokraten nichts mehr im Wege stehen.

In den Reihen der Christsozialen herrscht ob dieser Entwicklungen Unmut darüber, dass die Kanzlerin viel zu lange bei der Kandidatensuche für die Gauck-Nachfolge gezögert und sich von SPD-Chef Gabriel überrumpeln lassen habe. Der Druck auf Merkel wächst. In der Vergangenheit hatte sie bei der Präsidentenkür nicht immer glücklich agiert. So hatte die Kanzlerin vergeblich versucht, Joachim Gauck als Staatsoberhaupt zu verhindern.

Doch wer hat in der Union die besten Chancen für die Gauck-Nachfolge? Neben Finanzminister Wolfgang Schäuble ist auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Gespräch. Die CDU-Politikerin hatte bereits 2010 Interesse gezeigt, als schließlich überraschend der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) von der Union für die Wahl in der Bundesversammlung aufgestellt worden war. Von der Leyen gilt in der CDU-Spitze als mögliche und respektable Kandidatin für das Amt. Ihr traut man zu, in der Bundesversammlung Stimmen aus anderen politischen Lagern zu holen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte zuletzt erklärt, sich nicht um das Amt des Staatsoberhauptes bewerben zu wollen. Ein Versuch der Kanzlerin, ihn noch umzustimmen, soll zuletzt gescheitert sein, hieß es aus Parteikreisen. Merkel wolle jedoch das Werben nicht aufgeben. Auch beim Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, wolle die Kanzlerin vorfühlen, ob dieser nicht doch noch bereit sei, zu kandidieren. Doch auch Voßkuhle hatte zuletzt klargestellt, dass er nicht zur Verfügung stehe.