Riedenburg
Missbrauch und Gewalt im Kloster St. Anna?

15.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:06 Uhr

Düstere Stimmung: Eine ehemalige Schülerin der Riedenburger Mädchenschule St. Anna hat schwere Vorwürfe in Richtung einer früheren Oberin und eines inzwischen gestorbenen Pfarrers geäußert. Sie berichtet von Gewalt und Missbrauch Mitte der 1950er Jahre. - Foto: Zell

Riedenburg (DK) Hat es auch in der Riedenburger Mädchenschule St. Anna Gewalt und Missbrauch an Schülerinnen gegeben? Eine Ehemalige berichtet, Mitte der 50er Jahre von der Oberin geschlagen und von einem Pfarrer missbraucht worden zu sein. Die heutige Kloster-Chefin weiß nichts von solchen Fällen.

Eine bayerische Tageszeitung veröffentlichte vorgestern, was einer damals 14-jährigen Schülerin im Internat der Riedenburger Mädchenmittelschule St. Anna Mitte der 1950er Jahre angeblich wiederfahren ist. Von "gelegentlicher Brutalität" der Schwestern ist da die Rede und von einer Oberin, die Schläge ausgeteilt haben soll – vor allem aber von einem unzüchtigen Pfarrer.

In dem Zeitungsartikel berichtet die Frau, dass sie seinerzeit als Schülerin einmal von der Mutter Oberin so geschlagen worden sei, dass sie "vom Stuhl fiel und Nasenbluten bekam". Schwere Vorwürfe erhebt die einstige Internat-Schülerin aber hauptsächlich gegen einen Pfarrer, der wegen einer Beinverletzung "Hupf" genannt worden sei.

Der besagte Priester habe – so wird die Frau wiedergegeben – die Schülerin im Jahr 1956 in der Studierzeit abgepasst, in die Bibliothek gelotst und sie wegen einer Fünf in Englisch ins Gebet genommen. Was im Folgenden geschehen sein soll, wird in dem Artikel von der einstigen Schülerin wie folgt erzählt: "Plötzlich sagte er: ,Hast a g’scheite Unterhosen an’ und dann griff er mir voll unter den Rock. Zuerst bin ich einen Schritt zurückgesprungen. Dann war ich wie versteinert."

Über den Pfarrer hätten damals immer wieder Gerüchte die Runde gemacht, so die weitere Schilderung der Frau in dem Bericht. Einmal soll der Geistliche, so heißt es weiter, eine Schülerin in seine Stube gezogen, ein andermal großes Interesse dafür gezeigt haben, was ein Mädchen auf der Toilette mache.

Pfarrer lebt nicht mehr

Der so schwer beschuldigte Pfarrer kann sich zu den Vorwürfen nicht mehr äußern. Er ist bereits tot, wie Beatrix Riegelsberger, die heutige Oberin des Klosters, gestern im Gespräch mit dem DONAUKURIER berichtete. Sie selbst sei fassungslos über die Anschuldigungen, die die einstige Schülerin geäußert hat.

Riegelsberger hat selbst von 1950 bis 1953 als Schülerin das Kloster St. Anna besucht. Von sexuellem Missbrauch oder Gewalt an Schülerinnen habe sie "überhaupt nichts" mitbekommen, versichert sie. Und auch gegen den beschuldigten Pfarrer, den sie selbst ein Jahr als Lehrer gehabt habe, könne sie "überhaupt nichts sagen". Auch nach ihrem Eintritt in den Orden im Jahr 1965 sei ihr nichts über Missbrauchsfälle zu Ohren gekommen.

Seitdem vorgestern der Zeitungsartikel mit der Überschrift: ",Missbrauch’: Ex-Schülerin von St. Anna klagt an" erschienen ist, haben laut Riegelsberger mehrere ehemalige Schülerinnen, die ebenfalls Mitte der 50er Jahre dort unterrichtet wurden, "entsetzt und empört" im Kloster angerufen. Sie wüssten, so betont die Oberin, allesamt nichts von solchen Vorfällen.

Riegelsberger ist besorgt um den guten Ruf der Mädchenschule. 27 Jahre lang, von 1979 bis 2006, leitete sie die Bildungsstätte, heute steht sie noch dem Kloster vor. Der beschuldigte Pfarrer habe 1964 im Pensionsalter die Schule verlassen und sei später in Landshut gestorben, berichtete Riegelsberger gestern.

Diözese prüft den Fall

Zu den Vorwürfen nicht äußern will man sich bei der Schulstiftung der Diözese Regensburg, die für die Mädchenrealschule St. Anna zuständig ist. Allerdings aus gutem Grund, wie Geschäftsführer Johann Gröber auf Anfrage erklärt: "Wir sind erst seit 2005 Träger der Schule." Deswegen werde die Schulstiftung zu den angeblichen Vorfällen Mitte der 1950er Jahre auch keine eigenen Recherchen anstellen.

Derweil ist die Diözesanverwaltung mit dem Fall bereits befasst. "Wir müssen jetzt erst mal prüfen, um welchen Pfarrer es sich handelt", so Diözesan-Sprecher Jakob Schötz gestern. Bis auf die Aussagen der in dem Artikel zitierten Frau gibt es laut Schötz bislang aber keine weiteren Hinweise auf mögliche Vorfälle im Riedenburger Kloster St. Anna.

Schötz bittet die Frau und eventuell weitere Betroffene, sich mit Birgit Böhm, der Diözesanbeauftragten für sexuellen Missbrauch, in Verbindung zu setzen, um das Gespräch zu suchen und das erfahrene Leid aufarbeiten zu können. Böhm ist unter der Telefonnummer (0 94 41) 6 75 90 erreichbar.