Oh
Milder geworden

Jakob Arjounis letzter Kriminalroman

10.03.2013 | Stand 03.12.2020, 0:24 Uhr

Oh ja, Kemal Kayankaya ist älter geworden. Älter und ruhiger. Seit mehr als zehn Jahren war nichts mehr von Jakob Arjounis legendärem türkisch-hessischen Privatdetektiv zu hören. Jetzt ist er wieder da, und zwar gleich mit einem Doppelfall – natürlich wieder in Frankfurt.

Kayankaya ist immer noch genauso clever wie früher, hat denselben scharfen, unbestechlichen Blick und dasselbe freche Mundwerk, aber alles kommt viel ruhiger und gesetzter daher. Arjouni hat seiner Figur ein geregeltes Einkommen und eine feste Freundin verpasst, mit der er in einer guten Gegend wohnt und mit der er sich auf ein gemeinsames Kind freut.

Bei so viel bürgerlichem Glück bleibt von der alten Aggressivität und Anarchie des kleinen Detektivs aus dem Bahnhofsviertel nicht viel übrig. Der Humor ist noch da, aber längst nicht mehr so bissig. Die Staatsgewalt in Form von Polizei und Justiz ist nicht mehr Feindbild – inzwischen kooperiert Kayankaya mit ihr und seine Dienstpistole hält er nicht mehr zwischen der Unterwäsche im Schrank versteckt, sondern hat sie brav im Wandsafe deponiert. Und natürlich ist er Nichtraucher geworden.

Zweifellos ist Arjouni mit seiner Geschichte um Zwangsprostitution, Islamismus und Buchmesseklüngel wieder ein bemerkenswert guter Krimi gelungen, voller Wortwitz und brillanter Formulierungen, aber sein Kayankaya, der früher ständig darauf lauerte, gegen Ausländerfeindlichkeit und soziale Ungerechtigkeit zurückzuschlagen, scheint sich arrangiert zu haben. Leider wird dieser Krimi der letzte von Jakob Arjouni bleiben. Der Autor erlag in der Nacht auf den 17. Januar in Berlin einer Krebserkrankung. wb

Jakob Arjouni: Bruder Kemal. Diogenes. 225 Seiten. 19,90 Euro.