Schweitenkirchen
Menschen im Hotel

Kein Essen, keine Unterkunft, Angst vor Schlägertrupps: Asylbewerber berichten über ihre Erlebnisse auf der Flucht

21.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:40 Uhr

 

Schweitenkirchen (PK) Mitten in Schweitenkirchen steht das ehemalige Hotel Wittmann – ein wuchtiges Gebäude im Stile der 1960er Jahre. Früher florierte dort das Geschäft mit Ausflugs- und Übernachtungsgästen. Schließlich wurde es ruhiger, bis man die Gastronomie gänzlich einstellte. Neue Gäste trafen dort ein – mit ungewohnten Vornamen wie Abdullah, Mohamad, Ashuqullah.

Von den 38 Asylbewerbern, die dort leben, kommt etwa die Hälfte aus Afghanistan und der andere Teil aus afrikanischen Staaten. Im dämmrigen Licht der beige gekachelten Eingangshalle sieht man in der linken Ecke eine Ankündigung: „Deutschkurs heute 17 Uhr. Pünktlich.“ Später erzählen die Flüchtlinge, dass sie früher regelmäßig nach Ingolstadt fuhren, um dort an Deutschkursen teilzunehmen. Dies sei aber aus finanziellen Gründen wieder eingestellt worden.

Auf dem Boden liegen einige Zigarettenkippen und Flaschendeckel. Oben im ersten Stock hängen noch weitere nüchterne Mitteilungen über die Sprechzeiten der Betreuer der Asylbewerber im Landratsamt und Busfahrpläne. Ansonsten keinerlei Symbole, die einen mit dem Herz und der Seele der dort Lebenden in Verbindung bringen könnten.

In einem der Zimmer, die mit bis zu fünf Bewohnern belegt sind, wird der Besucher mit etwas skeptischer Miene beäugt. Mithilfe des Exilafghanen Martin Mazar, der schon viele Jahre in Deutschland lebt, hier auch Politik studiert hat und dem PK-Reporter als Übersetzter beisteht, ist von den Flüchtlingen einiges über ihre Lebensgeschichte zu erfahren. Immer wieder kommt das Gespräch auf die bald drohende Abschiebung. Eine besonders tragische Geschichte hat Mohamad Nasir Afghan: Bei einem Überfall der Taliban auf die Wohnung der Familie wurde sein Vater erschossen. Er selbst erlitt einen Oberschenkeldurchschuss. Er hinkt deswegen etwas – laut Gutachten eines Facharztes wäre eine Operation zur Achsenkorrektur und Beinverlängerung nötig. Mohamad berichtete von seinen Schwierigkeiten in Griechenland, wo es weder Unterkünfte noch Lebensmittel für die Asylbewerber gab. Die Afghanis mussten dort betteln und schliefen auf der Straße. Mohamad droht derzeit die Abschiebung nach Ungarn, da dort seine Fingerabdrücke registriert wurden.

In der karg ausgestatteten Küche treffen sich die Afghanis und bereiten dort Fladenbrot zu, das sie auf dem Küchentisch mit den Fäusten flach kneten. Dort entwickelt sich ein Gespräch mit Baktash Ibrahimi. „Ich arbeitete für die Integrity watch Afghanistan, eine Organisation, die sich dem Kampf gegen die weit verbreitete Korruption verschrieben hat“, erzählt er. Immer wieder sei seine Arbeit von einflussreichen Kräften behindert worden. Als er schließlich Namen an die Medien weitergab, brachte er sein Leben in Gefahr. Schließlich war er gezwungen, seine gut bezahlten Arbeitsplatz aufzugeben und aus dem Land zu fliehen, berichtet Baktash. Er bezahlte 25 000 US-Dollar, um über Dubhai, Bahrain und Katar nach Deutschland zu kommen, wo er sich seit dem 16. Juni 2013 aufhält. Seitdem wartet er auf sein Interview, bei dem über seinen Asylantrag entschieden wird. Seine Entscheidung, gegen die Korruption zu kämpfen, hat er nach eigenen Worten nie bereut.

Zusammen mit Martin Nazar besucht der PK-Reporter in Pfaffenhofen weitere Asylbewerber. Sie leben in einem unauffälligen Haus in einer Seitenstraße unweit des Bahnhofes. Das Ambiente ist hier etwas behaglicher als in Schweitenkirchen – das Wohnzimmer, ist mit holzverkleideter Decke, rotem Teppichboden und einer blauen Sofaecke ausgestattet. Doch die Schlafzimmer sind stark belegt – in den zwei Räumen schlafen jeweils fünf Personen. Der 26-jährige Qurban Rahman kommt aus der Stadt Gorjat in Pakistan. Dort waren sie die einzige Schiiten-Familie am Ort. Vor allem arme, ungebildete Sunni-Muslime würden dort von Predigern in der Moschee gegen die Schiiten aufgehetzt, erzählt Qurban Rahman. Es begann mit Steinen, die auf ihr Haus geworfen wurden. Schließlich wurde Qurban im August 2010 von einem Mob mit Stöcken aus Holz und Metall verprügelt und zog sich Wunden am ganzen Körper zu. Anschließend habe er 29 Tage im Krankenhaus verbringen müssen, erzählt er. Qurban schaffte es schließlich nach Ungarn. An der Grenze wurde er von der Polizei aufgegriffen. „Ich wurde geschlagen und musste eine Nacht mit auf die Polizeistation“, erzählt er. Dort habe er Papiere mit ihm unbekannten Inhalt unterschreiben und seine Fingerabdrücke registrieren lassen müssen. Von Ungarn aus seien die Flüchtlinge für 400 Euros zu zweit in einem Auto nach Deutschland gebracht worden. Nun werde ihm hier von den deutschen Behörden vorgehalten, dass er bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt habe. Ihm drohe daher die Abschiebung.

Besonders schwierig für die Migranten ist der Aufenthalt in Griechenland, wie Qamar Bullazam, 28, zu berichten weiß. In Pakistan floh Qamar aus einer Koranschule, auf der er für ein Selbstmordattentat hätte vorbereit werden sollen, sagt er. „In Griechenland machen rechtsradikale Schläger Jagd auf Pakistanis, Inder und Bangladeshis. Eines Nachts wartete eine Gruppe vor meiner Wohnung auf mich. Ich wurde von ihnen bewusstlos geschlagen. Ein Grieche ist dann gekommen und hat mir geholfen“. Die Betroffenen trauen sich kaum, in Griechenland zur Polizei zu gehen, da ihnen dort eine Anzeige und Haft drohe, blickt Qamar auf diese Station seiner Flucht zurück.