Düsseldorf
"Mehr war nicht drin"

Das neue Album der australischen Kult-Band AC/DC enttäuscht

30.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:55 Uhr

Düsseldorf/Toronto (DK) „Rock or Bust“ heißt ihr Album, und „bust“ lässt sich am treffendsten mit „kaputt“ übersetzen. Bisschen blöd für die Australier, dass man die rhetorisch gemeinte Frage im Titel des 16. AC/DC-Albums derzeit nicht im Sinne der Band beantworten kann.

„Wir werden nicht einpacken“, stellte Angus Young vor wenigen Tagen trotzig im Gespräch mit der Zeitung „USA Today“ klar. „Wir sind definitiv weiterhin am Start, komme, was da wolle. AC/DC ist unser Leben, und wir brennen immer noch extrem für diese Band.“ Es wirkt tragisch: „Rock or Bust“ ist das erste Album der vielleicht beliebtesten Rockband der Welt, kaum eine Platte dürfte bei Fans des unverkennbaren „Dä-Dä-Dä“-Gitarrenriffs ersehnt worden sein, und doch kommt es zur Unzeit: Aktuell beherrschen nicht die in 35 Minuten durchgehörten elf neuen Songs die Schlagzeilen, sondern das unsägliche Benehmen des langjährigen Schlagzeugers Phil Rudd. Der 60-Jährige war am 6. November in seiner Wahlheimat, dem neuseeländischen Tauranga, unter dem Vorwurf, den Mord an zwei Männern in Auftrag gegeben zu haben, verhaftet worden. Einen Tag später wurde er zwar wieder freigelassen, weil es für die Beschuldigungen keine Beweise gab, die Ermittlungen wegen Bedrohung sowie des Besitzes illegaler Drogen dauern jedoch an.

„Seine Abwesenheit wird weder die Veröffentlichung des Albums noch unsere Pläne für eine Welttournee 2015 beeinflussen. Die Situation am Schlagzeug ist im Moment allerdings unklar“, sagt Angus Young. Es ist unwahrscheinlich, dass Rudd, der auch auf aktuellen Bandfotos fehlt und bei den Aufnahmen zu „Rock or Bust“ wenig zuverlässig gewesen sein soll, eine Zukunft bei AC/DC hat. Dass Malcolm Young, Angus’ zwei Jahre älterer Bruder, nicht mehr dabei sein würde, stand seit Längerem fest. Der Rhythmusgitarrist, der die AC/DC-Songs stets mit Angus gemeinsam schrieb, leidet an Demenz im fortgeschrittenen Stadium. Auf dem neuen Album ist er nicht zu hören. Seinen Platz in der Band hat ein weiterer Young eingenommen: Stevie Young – auch schon 58 – ist der Neffe von Angus und Malcolm und „so nah dran wie nur möglich“.

Dass AC/DC unter diesen widrigen Umständen überhaupt ein neues Album auf die Kette gekriegt haben, sei ihnen hoch anzurechnen, dass es kein Meisterwerk wurde, verziehen. „Rock or Bust“ fehlen die wirklich schlagkräftigen Songs. Die Single „Play Ball“, auf der Sänger Johnson sehr engagiert klingt, geht mit ihrem wie schockgefroren und nach vierzig Jahren aufgetautem Rummsdibumms-Riff in Ordnung, „Dogs of War“ (inhaltlich geht es um den gegen die Römer erfolgreichen antiken Feldherrn Hannibal) hat gar etwas Lustig-Drolliges. Biss, Feuer und dieses zwingende, unkopierbare, großartige AC/DC-Hardrock-Gefühl stellen sich einfach nicht ein. Zumal den Stücken, die aus alten Riffs entwickelt wurden, die Angus und Malcolm über die Jahre schrieben (daher die Nennung Malcolms als Co-Autor), meist das Tempo fehlt.

Sehr oft hält man sich im bluesigen, eher getragenen Bereich auf und beweist mit Songs wie „Miss Adventure“, „Rock the Blues Away“ oder „Rock the House“, dass man auch eine fähige Blues-Band ist. Dreckige Kneipenrocksongs („Hard Times“, „Emission Control“) dürften sich ferner förderlich auf den Bierkonsum der Hörer auswirken. Aber ein Klassiker? Ein später Meilenstein ist „Rock or Bust“ nicht geworden. Und Angus Young, das letzte verbliebene Original-Mitglied, dürfte gut beraten sein, nach einer letzten großen Tournee die Schuluniform für immer an den Nagel zu hängen.

Das Album „Rock or Bust“ ist seit 28. November im Handel.