Augsburg
Mehr Musical als Rockoper

Andrew Lloyd Webbers "Jesus Christ Superstar" feiert Premiere im Augsburger Freilichttheater

02.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:37 Uhr
Ein auch mal zweifelnder Jesus: Markus Neugebauer übernimmt die Hauptrolle in der Augsburger Inszenierung. −Foto: Lautenbacher

Augsburg (DK) Bald 50 Jahre nach der Uraufführung ist Andrew Lloyd Webbers Rockoper "Jesus Christ Superstar" meilenweit davon entfernt, ein Skandal zu sein.

Dafür passt die Rockoper bestens in die Zeit, in der zur Prime Time allerorts Superstars gesucht werden. Was die Idealisierung von enthusiastischen Followern - oder Jüngern - mit einem Menschen machen kann, zeigt die Inszenierung des Staatstheaters Augsburg auf der Freilichtbühne am Roten Tor. Wohlwollend nahm das Publikum die Inszenierung von Cusch Jung auf, in der - anfangs für Fans sehr gewöhnungsbedürftig - die deutsche Version des englischsprachigen Klassikers über die letzten Tage im Leben von Jesus Christus gesungen wird.

Webbers "Jesus Christ Superstar" hat sich schon immer dafür kritisieren lassen müssen, dass sich sein Jesus nicht nur als der aufrechte, tief überzeugte Messias zeigt, sondern auch ein Zweifler ist und mehr noch: Einer, der den schönen Seiten des Lebens nicht abgeneigt ist. Die Augsburger Inszenierung gibt der Rockoper mehr Musical-Anstrich. Drei Solisten aus der Branche wurden eigens dafür engagiert: Der größte Wurf ist mit der Verpflichtung von Markus Neugebauer als Jesus gelungen. Seine Bühnenpräsenz ist in den lauten und leisen Szenen beeindruckend, die schwierigen und teilweise weniger gefälligen Gesangspartien meistert er ebenso wie den schauspielerischen Part bravourös: den zweifelnden Anführer, den fröhlichen Kumpan, den gemarterten Gefangenen, den strahlenden Superstar.

Sidonie Smith hingegen bleibt als Jesu Geliebte Maria Magdalena in ihrem blendend weißen Kleid (Kostüme: Aleksandra Kica) und mit ihrem gleichermaßen strahlendem, glasklaren, balsamischen Gesang schauspielerisch blass. Selbst die wunderbare Ballade "I don't know how to love him" ("Wie soll ich ihn nur lieben"), die es seinerzeit sogar in die Charts geschafft hat, bleibt zwar ästhetisch schön in ihrem Gesang, doch die immense innere Bewegtheit Marias spiegelt sich in ihrem Spiel kaum. Der dritte im Bunde der Musical-Stars ist David-Michael Johnson als Judas, der Jesus dafür kritisiert, sich mit Gott gleichzusetzen, und ihn am Ende unter Selbstzweifeln an die Hohenpriester verrät. Johnson legt große Spielfreude an den Tag, verwechselt aber gelegentlich die Bühnenstufen mit einer Showtreppe - auch an den Stellen der Inszenierung, die nicht dafür geeignet sind.

Mehrfach indes ist alles Show an diesem Abend, was für einige der überzeugendsten Szenen sorgt und nicht nur den Musical-Profis die beste Bühne bietet. Heraus ragt Herodes' Verhöhnung von Jesus, die im Stile einer großen Nummern-Revue daher kommt, vom Ballett mit einer spielerischen Cabaret-Charleston-Can-Can-Nummer flankiert, und Christopher Ryan als dekadent-arroganten Herrscher zeigt, der einen hinreißenden, witzig-überdrehten Auftritt hinlegt. Wie überhaupt mehrere Sänger des Augsburger Staatstheaters ihrem Haus alle Ehre machen, etwa Dennis Weißert als Simon oder Tobias Berroth als Petrus.

Viel zu wenig zu hören war angesichts der baulichen Situation auf der von Karel Spanhak gestalteten Freiluftbühne von den Augsburger Philharmonikern. Wann immer deren Einsatz aus dem Gewölbe herausdrang, war zu ahnen, wie bereichernd das Orchester unter der musikalischen Leitung von Ivan Demidov hätte sein können. So dominierte die Band Abyss den musikalischen Teil des Abends, der in mehreren von Ricardo Fernando gelungen choreografierten Massenszenen auch ein Forum für das Ballettensemble bot. Auch andere kluge Regieideen, wie das Raunen des Opernchors aus den Kulissen, sorgten dafür, dass die Weichzeichnung im Musical-Reigen ein Gegengewicht durch die Fähigkeiten der Mitglieder des Augsburger Staatstheaters fand.

ZUM STÜCK
Theater:
Staatstheater Augsburg,
Freilichtbühne am Roten Tor
Musikalische Leitung:
Ivan Demidov
Inszenierung:
Cusch Jung
Choreografie:
Ricardo Fernando
Bühne:
Karel Spanhak
Kostüme:
Aleksandra Kica
Vorstellungen:
Bis 28. Juli, von 20.30 bis 23 Uhr
Kartentelefon:
(0821) 324 49 00

Carina Lautenbacher