Wendelstein
Mehr als ein Kauz und Dichter heiter skurriler Verse

Werk und Leben von Joachim Ringelnatz stehen im Mittelpunkt eines literarischen Abends in der Jegelscheune

17.02.2019 | Stand 02.12.2020, 14:37 Uhr |
Joachim Ringelnatz würdigen Achim Amme und Ulrich Kodjo Wendt (rechts) einen Abend lang. − Foto: Unterburger

Wendelstein (ub) Seine Verse faszinieren noch heute Leser und Zuhörer.

Joachim Ringelnatz (1883 bis 1934) war ein wunderbar kauziger, schnoddriger und rotzfrecher Dichter mit Höhen und steilen Abstürzen. In einem literarisch-musikalischen Abend in der sehr gut besuchten Jegelscheune führte der Autor und Schauspieler Achim Amme (Tatort, Bella Block, Stubbe) das Publikum in Leben und Werk von Joachim Ringelnatz ein. Musikalisch begleitet wurde er von Ulrich Kodjo Wendt, bekannt durch seine Filmmusiken für Regisseur Fatih Akin, am Knopfakkordeon.

Auf unterhaltsame Weise zeichnete Amme den Lebenslauf des Dichters Ringelnatz nach und trug eine Auswahl von dessen Gedichten vor. Zwischendurch griff er zur Gitarre und sang selbst verfasste Chansons, die sprachlich dem Ringelnatz-Duktus sehr nahe stehen. Natürlich durften auch Original-Gedichte von Meister Ringelnatz nicht fehlen, die Amme vertont hat. Mit sonorer Bassstimme brachte er den Zuhörern das lyrische Werk von Joachim Ringelnatz näher und überzeugte durch einen ausdrucksstarken Vortrag.

Joachim Ringelnatz kam am 7. August 1883 als Hans Bötticher in Wurzen zur Welt. Der stets zu Streichen aufgelegte Junge wuchs in einem toleranten Elternhaus auf. Die Schulzeit blieb ihm stets in unangenehmer Erinnerung. Das aufmüpfige Kind litt unter den Strafen der Lehrer. Man verspottete ihn wegen seiner langen Haare und seiner langen Nase. Der Besuch des Gymnasiums endete vorzeitig, er kam in eine Erziehungsanstalt. Das dort abgelegte Reifezeugnis berechtigte ihn zum einjährigen freiwilligen Militärdienst. 1901 ging der lang gehegte Traum von der Seefahrt in Erfüllung.

Doch das Abenteuerleben und die Freiheit des Matrosen wurden von den miserablen Arbeitsbedingungen auf See überschattet. Nach seiner Entlassung als Bootsmaat machte er eine Kaufmannslehre in Hamburg und begann zu schreiben und zu malen. Als ihm das Angestelltenleben zu langweilig wurde, kündigte er, begab sich auf Reisen und landete schließlich als Obdachloser im Gefängnis von Antwerpen.

Nachdem er sich mit verschiedenen Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt, kam er 1909 nach München. Dort entdeckte er das Künstlerlokal "Simpl" (Simplicissimus), wo sich die Bohème der Zeit traf: Frank Wedekind, Klabund, Hermann Hesse, Erich Mühsam und andere. Hier begann seine literarische Karriere. Er stieg zum Hausdichter des "Simpl" auf und trug allabendlich seine Verse vor. In verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte er unter Pseudonymen erste Gedichte und Novellen.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges meldete sich der 31-Jährige als Freiwilliger zur Kriegsmarine. Anfänglich begeistert von der kaiserlichen Marine, erlebte er den schikanösen Alltag auf einem Minensuchboot. Den Querulant Bötticher schob die Marine schließlich auf einen Außenposten ab.

Ende 1919 wurde aus Hans Bötticher schließlich Joachim Ringelnatz. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte er künftig seine Werke als Dichter und Maler. Nun entstanden die "Turngedichte" und die "Kuttel Daddeldu"-Poeme, von denen Achim Amme eine ganze Reihe vorstellte. Mit dem Vortragen seiner Gedichte verdiente er als "reisender Artist" seinen Lebensunterhalt. Er trat in allen großen Städten Deutschlands als Kabarettist auf. Mit dem Seemann "Kuttel Daddeldu" schuf Ringelnatz eine neue Kunstfigur des literarischen Kabaretts.

Als die Nazis kamen, flüchtete er aus München nach Berlin. Dort fand er die Anerkennung von vielen Malern und Schauspielkollegen, die sein Talent erkannten und förderten. In Berlin führte er ein arbeitsintensives Leben als Schriftsteller, Maler und Vortragskünstler. Mit dem Machtantritt der Nazis wurden seine Bücher auf den Index gesetzt; Ringelnatz erhielt Bühnenverbot. Sein letzter öffentlicher Auftritt war anlässlich seines 50. Geburtstages bei der Feier im Hotel Kaiserhof. An einer lang verschleppten Tuberkulose starb Ringelnatz am 17. November 1934 in seiner Berliner Wohnung.

Er wurde oft verkannt als komischer Kauz und Dichter heiter skurriler Verse. Doch er war mehr als das. Seine Gedichte weisen eine große Ernsthaftigkeit und Tiefe auf. Ringelnatzpreisträger Achim Amme wies in seinem Vortrag immer wieder darauf hin und die beiden Künstler erhielten viel Applaus für die Gestaltung des literarischen Abends.

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