Ingolstadt
Medaillenversprechen Mihambo

26.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:44 Uhr
Eine der größten Gold-Hoffnungen: Malaika Mihambo ist Titelkandidatin bei der Leichtathletik-WM im Weitsprung. −Foto: Andreas Gora (dpa)

Ingolstadt (DK) Bei der Leichtathletik-WM in Doha (27. September bis 6. Oktober) fehlen dem Deutschen Leichtathletik-Verband viele Top-Athleten. Neben den Speerwerfern und Läuferin Konstanze Klosterhalfen setzt das deutsche Team vor allem auf die aktuell weltbeste Weitspringerin.

Auf eine Gewinnprognose hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) für die anstehende Weltmeisterschaft verzichtet. Grund dafür ist wohl, dass dem deutschen Aufgebot in diesem Jahr die große Breite an titelerfahrenen Spitzen-Athleten fehlt. Dass die fünf Podestplätze der WM 2017 überboten werden, ist trotzdem nicht unwahrscheinlich, denn es tummeln sich einige Medaillenkandidaten im deutschen Aufgebot.


Traditionell stark sind die Deutschen in den Wurfdisziplinen. Die vier deutschen Speerwerfer Andreas Hofmann, Julian Weber, Olympiasieger Thomas Röhler und Weltmeister Johannes Vetter können den Titel gewinnen. Auch Christin Hussong hat im Speerwurf durchaus Medaillenchancen, genau wie die Kugelstoßerin Christina Schwanitz und die Diskuswerferin Claudine Vita. Deren männlicher Disziplin-Kollege Christoph Harting wurde nach seiner Verbandskritik zwar doch nominiert, mit seiner Saisonbestweite von 66,01 Metern ist er aber aktuell zu weit weg von der Weltspitze.

Zu dieser gehört definitiv Malaika Mihambo in ihrer Disziplin Weitsprung. Die Europameisterin sicherte sich Anfang September den Gesamtsieg in der Diamond League und sprang im Finale in Brüssel 7,03 Meter weit. Mit ihrer Saisonbestleistung von 7,16 Metern ist sie derzeit unangefochten - und somit die große Favoritin auf die Goldmedaille im Weitsprung. Dass sie zudem auch über den Tellerrand hinausblickt, bewies sie mit ihren Aussagen über das WM-Gastgeberland Katar im Deutschlandfunk. "Als Athlet wird man sicherlich sehr gute Bedingungen vorfinden. Als Gastarbeiter, der beim Stadionbau geholfen hat, ist es wahrscheinlich etwas anders", sagte die 25-Jährige.

Neben den Zehnkämpfern Niklas Kaul, Kai Kazmirek und Tim Nowak werden auch den DLV-Läuferinnen Medaillenchancen eingeräumt. Da wäre zum einen Gesa Felicitas Krause, die über 3000 Meter Hindernis aufs Podest laufen könnte, und zum anderen die 4x100-Meter-Staffel der Frauen um Gina Lückenkemper und Tatjana Pinto, die mit 41,67 Sekunden die beste Zeit der Saison geliefert hat. Die größte Hoffnung beim Laufen ist aber Konstanze Klosterhalfen, die entweder über 1500 oder über 5000 Meter an den Start gehen wird. Über 5000 Meter verbesserte die 22-Jährige Anfang August mit 14:26,76 Minuten den deutschen Rekord aus dem Jahr 1999 um rund 16 Sekunden.

Einen faden Beigeschmack hat, dass Klosterhalfen im US-amerikanischen Portland im Umfeld des Nike Oregon Projects trainiert. Die US-Anti-Doping-Behörde ermittelt gegen Cheftrainer Alberto Salazar. Auch bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Doha wird der Zweifel präsent sein. So ließen sich zwei kenianische Top-Athleten laut ZDF-Sportreportage kurz vor der WM mit dem Blutdopingmittel Epo behandeln. Dazu kommt der umstrittene Start der russischen Leichtathleten in Doha - der nationalen Anti-Doping-Agentur Rusada wird die Manipulation von Doping-Daten vorgeworfen.

Viel diskutiert - und von einigen deutschen Sportlern wie Mihambo oder Vetter sogar kritisiert - wird auch die Vergabe der WM an Doha. Wegen der großen Hitze in Katar bereitet sich etwas mehr als die Hälfte des 71 Athleten umfassenden Teams im türkischen Belek auf die klimatischen Bedingungen vor. Im Khalifa International Stadium (40000 Plätze) des bekannten Sportareals Aspire Zone der katarischen Hauptstadt werden die Temperaturen durch spezielle Klimaanlagen von 40 Grad Celsius auf etwa 25 Grad Celsius heruntergekühlt. Die Athleten befürchten, sich wegen der großen Temperaturunterschiede zu erkälten.

Das Thema Gesundheit war im deutschen Team aber schon vor den Wettkämpfen präsent. Die Siebenkämpferin Carolin Schäfer sagte ihre Teilnahme aufgrund von Kniebeschwerden ab - und reiht sich in eine lange Liste verletzter DLV-Medaillenkandidaten ein: Kugelstoßer David Storl, die Hürdensprinter Pamela Dutkiewicz und Gregor Traber, Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch, Dreispringer Max Heß, die Zehnkämpfer Arthur Abele und Rico Freimuth sowie Dreispringerin Kristin Gierisch fehlen in Doha.

Schäfer fehlt in Doha, um ihrem Körper "die nötige Ruhe zu geben" und sich mit "voller Kraft auf die Olympischen Spiele vorzubereiten". Dieser Absagegrund dürfte auch für andere Athleten gelten. Nach der intensiven Vorbereitung auf die Heim-EM 2018 in Berlin und vor Olympia 2020 in Tokio hat die WM für einige Sportler offenbar nicht den höchsten Stellenwert.

 

Kommentar: Das Problem sind die Verbände

Hohe und somit für Hochleistungssport ungeeignete Temperaturen, die damit verbundene spätere Terminierung der Wettkämpfe, welche den Jahreskalender der Sportarten durcheinanderwirbelt, und vor allem die Korruptionsgerüchte und -vorwürfe: Das Klagen über die Vergabe der Leichtathletik-WM nach Katar kommt einem aus dem Fußball ziemlich bekannt vor. Tatsächlich ist die Entscheidung für eine Leichtathletik-WM in Doha an vielen Stellen verwerflich.

Was man aber entgegnen kann: Zum einen sind die Katarer nicht die einzigen, die im Verdacht stehen, Schmiergeld zu zahlen. Und zum anderen muss es möglich sein, auch in Ländern ohne mitteleuropäisches Klima Weltmeisterschaften auszutragen. Die Vergabe der WM an Doha ist also nur das Symptom für das, was in der Sportwelt schief läuft. Die Ursache liegt viel tiefer: bei den Verbänden. Das sind nämlich sehr häufig bestenfalls quasi-demokratische Konstrukte – ohne echtes Kontrollorgan, dafür zumeist mit einer Monopolstellung ausgestattet.

Dass zahlreiche Weltverbände über viel Geld beziehungsweise unversiegbare Einnahmequellen verfügen (beispielsweise der Verkauf von Übertragungsrechten), schafft einen Nährboden für Korruption und Vetternwirtschaft. Am Mittwoch wurde  Sebastian Coe als Präsident des Leichtathletik-Weltverbands (IAAF) einstimmig und ohne Gegenkandidat wiedergewählt, obwohl seine Rolle als Vize-Präsident in der Amtszeit des skandalumwitterten ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack nicht geklärt ist. Auch solche Wahlergebnisse kennt man aus der Welt des Fußballs.

 

Fairplay bei den Speerwerfern

Eigentlich hätte Speerwerfer Bernhard Seifert zur Leichtathletik-WM nach Doha fahren sollen. Oder besser gesagt: dürfen. Ende Mai warf er 89,06 Meter, erfüllte die WM-Norm und hatte einen der vier Plätze des Deutschen Leichtathletik-Verbands sicher. Doch dann kam die Formschwäche – und sein Zimmerkollege Julian Weber immer besser in Schwung. Speerwurf-Bundestrainer Boris Obergföll favorisierte Weber, aber die Entscheidung lag natürlich bei Seifert. Niemand beim DLV rechnete wirklich damit, dass der 26-Jährige verzichtete. Doch genau das tat er. Und Weber findet, dass das eine „Riesengeste von Bernie“ ist, den er gerne für den jährlich verliehenen Fair-Play-Preis des deutschen Sports vorschlagen würde. „Ich werfe auch für Bernie“, sagte Weber sportbuzzer.de. Auch Bundestrainer Obergföll empfand für Seifert Hochachtung.

 

 

Christian Missy