Ingolstadt
"Man muss die Halle freischaufeln"

Wie der Architekt Peter Sapp das historische Gießereigebäude in sein Museumskonzept integrieren will

14.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:07 Uhr

»Wir haben eine ganz tolle Konstruktion vorgesehen, um die Baustelle zu überbrücken«: In der denkmalgeschützten Gießereihalle haben die Arbeiten für den Neubau des Kunstmuseums begonnen. Die Idee stammt von Peter Sapps Architekturbüro Querkraft - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Er fährt alle zwei Wochen gut fünf Stunden mit dem Zug von Wien zum Jour Fixe nach Ingolstadt, um sich dort mit einer Expertengruppe abzustimmen. Er ist Mitbegründer und Miteigentümer des Wiener Architekturbüros Querkraft. Seine Mission: Peter Sapp soll für 25 Millionen Euro das neue Museum für Konkrete Kunst und Design bauen.

Herr Prof. Sapp, das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt ist bisher ein relativ kleines Nischenmuseum. War es Ihnen schon ein Begriff, bevor Sie den Auftrag zum Neubau bekamen?

Peter Sapp: Es war mir bis dahin noch nicht bekannt. Wir sind erst durch die Auslobung des Wettbewerbs darauf gestoßen. Wir haben uns dann natürlich das Museum und die Sammlung angeschaut.

 

Wenn Sie jemandem in Wien kurz erklären müssten, was das Besondere an Ihrem Ingolstädter Museumsprojekt ist, was würden Sie dem sagen?

Sapp: Das Besondere ist, dass das Museum in einer bestehenden Gießereihalle errichtet werden soll. Das ist ein wesentlicher Teil des Ganzen. Diese Gießereihalle hat für die Ingolstädter Bürger eine große emotionale Bedeutung, weil an dieser Stelle die Wiege der Industrialisierung war. Die Halle stellt das letzte Überbleibsel dieses Industrieareals dar. Auf der anderen Seite ist diese Halle selbst eigentlich als Museum nicht geeignet, aufgrund der großen Fensterflächen und der Konstruktion des Innenraums. Ohne dass man das Denkmal ganz stark verändert, kann man hier kein Museum bauen.

 

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Sapp: Unser Konzept ist es, das Museum als White Cube unter die historische Halle zu bauen und die Halle als Geschenk an die Stadt, als öffentlichen oder halböffentlichen Ort zu betrachten, der die Schwelle zur Kunst abbauen soll. Als zentrales Element, um beide Bereiche zu verbinden, gibt es einen etwa 60 Meter langen Schlitz im Außenbereich, der Besuchern am Platz vor dem Museum schon von außen tiefe Einblicke ins Ausstellungsgeschehen ermöglicht. Ein zweiter Schlitz ist im Inneren des Gebäudes. Umgekehrt sind diese beiden Einschnitte auch sehr wichtig für das Museumserleben selbst. Wir wollen ja auf keinen Fall ein Kellermuseum errichten. Es geht auch darum, dass sich ein Museum immer wieder neu erfindet. Besucher sollen nicht alles schon dreimal gesehen haben. Der Untergrund ist durch flexible Stellwände unterteilt, das heißt, man kann immer wieder neue Raumsituationen schaffen.

 

Bei historischen Bauwerken kommt es ja manchmal zu bösen Überraschungen. Sind Sie in der Gießereihalle schon auf so etwas gestoßen?

Sapp: Wir wissen schon von einigen Dingen, die uns im Untergrund erwarten. Wir werden vermutlich Reste der historischen Befestigungsanlage finden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man auch andere Dinge findet, zum Beispiel ältere Kampfmittel, nicht aus dem Zweiten Weltkrieg. Man muss die Sache mit der notwendigen Vorsicht angehen. Es gibt noch einige Untersuchungen, was das Grundwasser betrifft, die gerade durchgeführt werden. Da geht es eher darum, wie man die Baustelle abwickelt, dass nichts passiert.

 

Wie ist die Bausubstanz der Gießereihalle?

Sapp: Die ist in einem guten Zustand. Die wird das alles sehr gut vertragen. Wir haben eine ganz tolle Konstruktion vorgesehen, um die Baustelle zu überbrücken. Um den Aushub unter der Halle machen zu können, muss man die historischen Stahlgussstützen, die die Kranbahn tragen, ausbauen. Dazu werden auf den seitlichen Kranbahnschienen – die sind ausgelegt für riesige Lasten – provisorische Fachwerkträger eingebracht. Dann wird in mehreren Etappen runtergegraben, um auch den Weg für die Archäologie freizumachen. Das ist sicher auch für die Archäologen, die diesen Bereich erkunden können, ein ganz spannendes Thema.

 

Wie gehen Sie mit der schönen alten Buche um, die vor der Gießereihalle steht?

Sapp: Die Buche wird von uns als integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts betrachtet. Sie macht uns das Leben nicht ganz leicht. Wir bauen das Museum eigentlich um die Buche. Es gibt zwei tiefe Ausstellungsräume, die links und rechts von der Buche unter dem Platz situiert sind. Ich bin der Überzeugung, dass die Buche eine Bereicherung des Ganzen sein wird. Wenn man durch den Glasschlitz hochschaut und die Buche sieht, ist das für den Museumsrundgang noch einmal eine Attraktion.

 

Wie kann man sich den Bauablauf vorstellen? Was passiert jetzt als Nächstes?

Sapp: Zuerst wird das Gebäude geschützt, dass es nicht weiter verfällt. Die Fenster werden provisorisch verschlossen. Dann werden die Stahlfachwerke eingebaut und die Stützen ausgebaut. An der Nordfassade gibt es wunderschöne Bogenfundamente, die wir erhalten und in die Ausstellung integrieren wollen. Wir werden innen und außen gleichzeitig schichtweise runtergraben.

 

Wie tief gehen Sie nach unten?

Sapp: Wenn die Sohle bei zirka sechs Metern erreicht ist, werden die Bodenplatte eingebaut und die Wände hochgezogen.

 

Empfinden Sie die Nachbarschaft der neuen Großbauten von Technischer Hochschule, Audi-Akademie und Kongresshotel nicht als erdrückend?

Sapp: Unser Konzept ist genau aufgrund dieser Nachbarschaft entstanden. Wir wollten die Halle nicht erhöhen oder vergrößern, weil man in diesem Größenwettbewerb nur der Zweite sein kann. Wir setzen eher auf diese wunderschöne Proportion des Originalgebäudes. Es muss nur freigeschält werden. Man muss das Gebäude einfach freischaufeln. Wir wollen auch, dass man die Spuren der Geschichte am Gebäude ablesen kann.

 

Die Fragen stellte

Reimund Herbst.