München
Als der Elch die deutsche Eiche fraß

Ikea begann vor 40 Jahren seinen Aufstieg in Deutschland – Der Konkurrenz verging schnell das Lachen

14.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:07 Uhr

München (AFP) Lange brauchten die Schweden nicht, um Bayern zu erobern: Als vor vierzig Jahren – am 17. Oktober 1974 – in Eching im Münchner Norden das erste Ikea-Möbelhaus Deutschlands eröffnete, kamen schon an den ersten Öffnungstagen täglich fast 10 000 Menschen zum Einkauf.

Den traditionellen deutschen Möbelhändlern, die die neuen Möbel vorher als „Apfelsinenkisten“ verspottet hatten, verging binnen kürzester Zeit das Lachen. Der schwedische Elch fraß den Markt der deutschen Eiche.

Die Schweden trafen von Anfang an den Zeitgeist. Der erste Katalog trug den Titel, „Wer jung ist, hat mehr Geschmack als Geld“. Im Innenteil lehrte der Möbelhersteller die Kunden, mit anzupacken. Garniert wurde dies mit frechen Werbekampagnen. „Wir treiben’s bunt mit hellem Holz“, hieß ein Spruch. Während die meisten anderen Möbelhäuser den Kunden das getragene Gefühl eines Kirchgangs gaben – die Schrankwand in Eiche rustikal sollte schließlich Jahrzehnte halten, griff Ikea die nach den Studentenprotesten wachsende Lockerheit mit eigenen Kampagnen für den deutschen Markt auf.

Beispielhaft für den Anfangserfolg steht dabei das Regal Ivar, dessen Leichtigkeit für Aufsehen sorgte. Dass manches Ivar-Regal beim Aufbau wieder einkrachte, fiel beim Erfolg nicht ins Gewicht. Petra Eisele, Professorin für Designgeschichte, fasste den Ivar-Erfolg vor wenigen Jahren so zusammen: „Die archaische Form gab keine bestimmte Nutzung vor. So konnte das unprätentiöse Lagerregal je nach Bedarf als Keller- oder Wohnzimmerregal eingesetzt werden und demonstrierte so die Abkehr vom Repräsentationswillen seiner Vorgänger.“

Als sich der Geschmack wandelte, legte Ikea Billy nach – das Regalsystem mit den glatten Oberflächen wurde zum weltweit erfolgreichsten Möbelstück. Auch ein Skandal um Formaldehyd-Ausdünstungen Anfang der 90er Jahre konnte Billy nur kurzzeitig bremsen. Dem Start in München ließ Ikea schon 1975 Möbelhäuser in Köln und Gelsenkirchen folgen, bald gab es fast überall mit ihrer Lage direkt neben Autobahnen gut erreichbare Märkte. Der mit inzwischen hierzulande rund vier Milliarden Euro Jahresumsatz mit Abstand stärkste Möbelhändler befindet sich dabei noch immer auf Expansionskurs. In Bremerhaven und Kaiserslautern wird an den Märkten 49 und 50 gebaut.

In der Möbelbranche gibt es allerdings Fragen, ob Ikea damit nicht seine Wachstumsgrenze erreicht hat. Diese Zweifel haben jedoch nichts mehr mit der scharfen Kritik zu tun, mit der sich Ikea nach seinen anfänglichen Erfolgen auseinandersetzen musste. So ließ der damalige Präsident der Möbelhändler die mit guten Qualitätswerten deklarierten Ikea-Möbel Mitte der 70er Jahre begutachten und kam zu einem vernichtenden Ergebnis. Die Produkte seien laut Gutachten „allergrößter Mist“.

Bei einem anderen Vorwurf allerdings hat der Ikea-Aufstieg bis heute einen Beigeschmack. Schon früh entdeckte die Konkurrenz, dass Ikea seine vermeintlichen Schweden-Möbel billig im Ostblock produzieren ließ. Heute steht fest, dass dabei in der DDR auch politische Gefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden – und einige Ikea-Manager das schon früh wussten. Doch erst in diesem Jahr legte das Unternehmen eine Studie dazu vor. Opfer-Verbände kritisierten diese als „Show-Veranstaltung“. Am positiven Image des Möbelhauses hat aber auch dies nichts geändert.