Ingolstadt
Mach's noch einmal, Till

Pfarrer Jürgen Habermann begeistert in St. Paulus nach zwei Jahren wieder als Faschingsredner

23.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:49 Uhr
Am Tatort zurück: Am Faschingssonntag war Jürgen Habermann, Pfarrer im Ruhestand, abermals als Büttenredner Till in "seiner" Kirche St. Paulus zu erleben - und die Gottesdienstbesucher hatten ihre Freude daran. −Foto: Brandl

Ingolstadt - "Großer Gott wir loben dich", hallt es kraftvoll und launig durch die evangelische Kirche St. Paulus, als würden die Besucher dieser außergewöhnlichen Messe einen Karnevalsklassiker zum Besten geben.

 

Das tun sie wenig später tatsächlich, als zum Ende des Faschingsgottesdienstes "Wer soll das bezahlen" von der Jugendblaskapelle Gaimersheim angestimmt wird.

Die jungen Gardemädchen der Narrwalla haken sich unter und beginnen grazil zu schunkeln - nach links, nach rechts, nach vorne. Der Elferrat und das Präsidium, die ihnen gegenüber sitzen, halten sich dabei eher zurück, vielleicht, weil ihnen die närrische Saison schon zu sehr in den teils nicht mehr ganz so jungen Knochen steckt. Einige Kirchenbesucher auf den Plätzen zieren sich aber nicht und wiegen die Oberkörper zur Musik zumindest dezent hin und her. Ein bisschen Andacht soll ja gewahrt bleiben, denken sie sich womöglich.

Es ist Faschingssonntag in St. Paulus. Eben noch saß Till Eulenspiegel in der Bütt wieder der Schelm im Nacken - so wie bis vor zwei Jahren, als Jürgen Habermann noch Pfarrer in St. Paulus war. 2018 ging er in den Ruhestand, und damit verschwand auch seine Kunstfigur Till vom Ambo, an dem sonst die Predigt gelesen wird. Heute ist der geistreich-humorige Narr mit der gelben Schellenkappe wieder zurück. Ob endgültig zum letzten Mal, wird sich zeigen. Reime über das jüngste Geschehen (und Ungeschehen) in der Schanz hat er reichlich dabei. Er hatte ja - trotz einer Fernreise im November nach Barbados, wie er verrät - auch Zeit zum Sammeln, so darf angenommen werden.

In der Karibik, so berichtet er, habe ihn eine Drohne erspäht und heimgerufen. Habermann folgt und gelobt zu Beginn seiner Büttenrede Ausgewogenheit. Kritisieren sei schließlich ein Leichtes, doch dürfe man das Lob keinesfalls vergessen. Spaßbad, Kongresshotel und Fußgängerzone bräuchten eben ihre Zeit. So geht es dann auch zunächst mit buchstäblich blumigen Worten los, als Till von der Landesgartenschau erzählt, wo es viel schöner sei, sich dem Duft der Blüten hinzugeben als im nahen GVZ zu schuften.

Vielleicht auch eine Idee für den Stadtrat? Der könne sich nach langen Streitgesprächen im Gemeinschaftsgarten wieder grün werden, findet Till. Beim Verkehr in Ingolstadt sieht er vieles im Argen und wettert über das Nadelör an der Westlichen Ringstraße: "Ich kenne keine andere Großstadt, die an wichtiger Stelle so einen Straßen-Blödsinn hat. " Ein bisschen Grün könne doch noch weg für eine vierte Spur, meint er. Oder alternative Verkehrsmittel her, eine Seilbahn etwa. Dass die dazu einladen könnte, Nacktbader zu beobachten, will er nicht einsehen: "Haben die noch nie was von getönten Scheiben gehört? "

Scheinbar nicht, denn der OB schwebe mit dem Lufttaxi lieber in höheren Sphären. Dumm nur, dass Urban Air Mobility wohl den Reichen und Businessleuten vorbehalten bleibe.
Till denkt an die eigene Zukunft, falls die Zinsen im Keller blieben. Dann würde er in Immobilien investieren. Sogar ein Ex-OB aus Ingolstadt als Berater schwebe ihm dafür vor. "Ein bisserl Hintenrum" dürfe schließlich sein. Wenn es mit den Kammerspielen nichts mehr werde, bliebe als Ausweichquartier für Theaterfreunde der Stadtrat, sinniert er weiter. "Da gibt es immer was zu sehen: Tragödien, bisweilen lachhafte Realkomödien und Werke voller Inhaltsleere", ledert Till und versetzt zugleich das aus seiner Sicht vernachlässigte Georgische Kammerorchester als musikalische Begleitung für Musical und Operette ins Theater. Apropos Theater: Die Kommunalwahl wirft auch bei ihm große Schatten voraus. Er wünsche sich Politiker mit starkem Charakter, die nicht nur smart und digital denken. Dem Stadtrat wünsche er angesichts eines verschachtelten Systems aus städtischen Gesellschaften mit einer Milliarde Euro Schulden "Mut zur Wende". Falls es mit der Wiederwahl von Christian Lösel zum OB nicht klappe, so habe die CSU für diesen Fall bestimmt einen Plan B, glaubt er. "Er wird der erste bayerische Astronaut, der mit dem Raumschiff 'Bavaria One' ins Weltall schaut. " Und Ingolstadt werde Schoberland, so Tills Vision.

DK

Michael Brandl