Kelheim
"Lügnerin! Sie sind eine Lügnerin!

18.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:15 Uhr

In einer eigens anberaumten Unterbrechung der Kreistagssitzung diktierten die Fraktionssprecher dem Verwaltungsdirektor Josef Fleischmann einen neuen Antrag zur Sanierung des Landratsamtes: Landrat Hubert Faltermeier (von links), Jörg Nowy, Christian Prasch, Heinz Reiche, Wolfgang Gural, Peter-Michael Schmalz, Alois Schweiger und Christiane Lettow-Berger (mit dem Rücken zur Kamera). - Foto: Rast

Kelheim (DK) Das Kelheimer Landratsamt wird für 9,4 Millionen Euro saniert. Doch den von der Verwaltung und von Landrat Hubert Faltermeier (FW) geforderten zehn Meter langen Anbau an den Westtrakt wird es nicht geben. Das beschloss der Kreistag am Mittwoch nach langer kontroverser Debatte.

Während der fast dreistündigen Debatte verkündeten die Fraktionssprecher von CSU und SPD mehrfach, dass sie sich an das Ergebnis des Bürgerentscheids vom 20. Dezember vergangenen Jahres halten würden. Bekanntlich hatten vor allem die CSU, die SPD, die ÖDP und die Junge Liste einen Neubau des Landratsamtes auf dem Donaupark-Gelände durchsetzen wollen. Doch sie waren trotz ihrer breiten Mehrheit im Kreistag am Willen der Bürger gescheitert, die sich beim Entscheid eindeutig für die Sanierung des alten Gebäudes aussprachen.

Mit dem am Mittwoch getroffenen Beschluss zur Sanierung des maroden Gebäudes dürfte die Neubau-Lösung wohl endgültig vom Tisch sein. Doch auch über die Art der Sanierung ließ sich trefflich streiten. Die über 60 Zuhörer im großen Sitzungssaal und Landrat Faltermeier fühlten sich während der hitzigen Debatte eher an eine Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch erinnert. Nachdem Christiane Lettow-Berger, die Fraktionssprecherin der Grünen, der CSU vorgeworfen hatte, sie wolle nur ein Jahr Zeit gewinnen, damit der Bürgerentscheid seine rechtliche Bindungswirkung verliere, platzte dem CSU-Fraktionssprecher Wolfgang Gural der Kragen. "Lügnerin!", brüllte er an Lettow-Bergers Adresse quer durch den Saal. "Sie sind eine Lügnerin! Sie sagen die Unwahrheit!", schrie Gural weiter. Doch Lettow-Berger ließ sich von der rüden Verbalattacke nicht irritieren. Die Christsozialen wollten offenbar ein Jahr weiter debattieren, um die Sanierung hinauszuzögern, erklärte sie. "Werfen sie nicht mehr länger Nebelkerzen!", appellierte Lettow-Berger an die CSU. Doch das brachte Gural noch mehr in Harnisch: "Hören Sie auf mit dem Verbreiten von Lügen! Hier will niemand etwas verzögern."

"Es wird noch dauern"

Auch der SPD-Fraktionssprecher Heinz Reiche wandte sich in scharfen Worten gegen das "Gerede vom Zeitschinden". Er wies aber drauf hin, dass im Kreisetat für das Jahr 2011 nur 300 000 Euro an Planungskosten für die Sanierung des Landratsamtes vorgesehen seien. Reiches Fazit lautete deshalb: "Es wird also noch dauern mit der Sanierung."

Entzündet hatte sich der Streit an einer nach dem Bürgerentscheid unbedeutenden Frage: Sollte das Gutachten, das dem Neubau eine deutlich bessere Energie-Ausnutzung attestiert als dem sanierten Altbau, im Kreistag nochmals diskutiert werden? Die Neubau-Gegner aus den Reihen von Freien Wählern und Grünen hielten dieses von CSU und SPD vertretene Ansinnen für Zweitverschwendung. "Der Neubau ist nach dem Bürgerentscheid ad acta gelegt", erklärte der FW-Fraktionssprecher Jörg Nowy. Man brauche keine Diskussion mehr über den Neubau. "Das Gutachten wird den Freien Wählern die Augen öffnen", prophezeite dagegen Gural. Und der Abensberger Bürgermeister Uwe Brandl (CSU) schimpfte: "Dieses Gutachten ist vor dem Bürgerentscheid mit Unwahrheiten in den Papierkorb gedroschen worden."

"Wahnsinnige Kosten"

Architekt Claus Reitberger stellte dann aber doch die Grundzüge seiner Expertise vor. Diese habe ergeben, dass der Energiebedarf für den Neubau jährlich etwa genauso hoch sei wie für das Schloss allein, also ohne die angebauten und inzwischen energetisch sanierten Gebäude. Da das Schloss aus denkmalschützerischen Gründen aber ohnehin nur sehr schwer energetisch gedämmt werden könne, riet Reitberger dem Kreistag, nicht alle technisch denkbaren Möglichkeiten der energetischen Sanierung auszuschöpfen. Das wäre angesichts der dann zu erwartenden "wahnsinnigen Kosten" unwirtschaftlich.

Das sah ÖDP-Kreisrat Peter-Michael Schmalz anders. Zwar sei das "Schloss ein schwarzes Loch für Heizenergie", aber die Behörden dürften den Bürgern nicht Standards abverlangen, die sie selbst am Landratsamt nicht anwenden würden. Damit reizte er den Landrat zum Widerspruch: "Wieder einmal ist vieles falsch, was Herr Schmalz sagt." Man gehe bei der geplanten Sanierung des Landratsamtes weit über die Mindeststandards hinaus.

Neben der Renovierung des Verwaltungsgebäudes stand auch dessen Erweiterung zur Debatte. In den Anbau sollten eine moderne Zulassungstelle und sechs Büros integriert werden. Vor allem die Zulassungsstelle wird jährlich von über 60 000 Bürgern aufgesucht, wie der DONAUKURIER erfuhr. Doch zu dem nur zehn Meter großen Anbau sagten CSU und SPD strikt Nein. Dieser entspreche nicht dem Bürgerentscheid. "Im Bürgerentscheid war nur von Sanierung die Rede – nie von Anbauten", betonte Brandl.

Landrat Faltermeier reagierte enttäuscht auf diese Entscheidung. Denn in dem Anbau wäre es endlich möglich gewesen, eine moderne Zulassungsstelle mit Kassenautomat und Schilder-Ausgabe unterzubringen. "Dies ist leider nun nicht mehr möglich", erklärte Faltermeier dem DONAUKURIER.

Außerdem setzten CSU und SPD durch, dass die Sanierungskosten auf keinen Fall 9,4 Milionen Euro übersteigen dürfen. Begründung: Der Bürgerentscheid habe ergeben, dass die Sanierung unbedingt fünf Millionen Euro billiger werden müsse als der Neubau. Dabei orakelte Reiche schon am Mittwoch: "Die 9,4 Millionen Euro reichen niemals."