Ingolstadt
Lob für Kompromiss bei Rieter

Betriebsrat und Konzern einigen sich auf Maßnahmenpaket für Beschäftigte

29.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr
Am Standort Ingolstadt gingen noch im Juli rund 150 Beschäftigte von Rieter auf die Straße, um gegen den Stellenabbau am Standort zu protestieren. Am Freitag wurde die Einigung über ein Maßnahmenpaket für die 220 betroffenen Mitarbeiter verkündet. −Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Es kam für viele völlig unerwartet: Im Februar kündigte der Rieter-Konzern an, die Produktion am Standort Ingolstadt zu beenden. Nach vielen Gesprächen wurde nun für die 220 vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter ein Maßnahmenpaket beschlossen. Das gab Rieter am Freitag bekannt.

"Zu den Angeboten gehören Aufhebungsverträge oder der Wechsel in eine Transfergesellschaft", teilte der Spinnereimaschinenhersteller mit Sitz im schweizerischen Winterthur mit. Beratungs- und Vermittlungsleistungen sowie Qualifizierungsangebote sollen dabei wesentliche Bausteine der Transfergesellschaft sein. Am Freitag wurden die Mitarbeiter darüber informiert.

"Die Stimmung auf der Betriebsversammlung war ruhig, interessiert, und in den Informationsrunden danach kamen viele Rückfragen zu technischen Details", berichtete der Ingolstädter Geschäftsführer Falk Matthes. Das bestätigte der Betriebsratsvorsitzende Gerhard Hyna: "Die Beschäftigten nehmen es relativ nüchtern auf, sie sind natürlich nach wie vor enttäuscht über die Entscheidung des Konzerns, können aber mit den Lösungen, die wir erarbeitet haben, leben." Auch die meisten Ausbildungsverträge können beendet werden, "für fünf junge Menschen suchen wir nach Möglichkeiten in einem anderen Unternehmen", sagte Matthes. "Sie werden bis zur Zwischenprüfung im 1. Quartal 2019 bei uns sein."

"Ich bin sehr optimistisch, dass die Mehrheit bald wieder in Lohn und Brot ist."

Johann Horn von der IG Metall

 

Johann Horn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, zeigte sich einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis und lobte ausdrücklich das Engagement des Betriebsrats in den Verhandlungen. "Es ist in dieser schwierigen Situation das Beste, was vom Betriebsrat rauszuholen war". Zudem ist er überzeugt, dass die Chancen für die betroffenen Mitarbeiter in der Region einen Arbeitsplatz zu finden, überwiegend gut seien. "Die Menschen sind hoch qualifiziert, und Facharbeiter werden nach wie vor gesucht. Ich bin sehr optimistisch, dass die Mehrheit bald wieder in Lohn und Brot ist."

Rieter verlagert die Produktion komplett von der Donau nach Tschechien, von den ehemals 360 Stellen in Ingolstadt bleiben danach rund 140 übrig. Die Verlagerung wird im Wesentlichen im 2. Halbjahr 2018 stattfinden und zum Jahresende abgeschlossen sein, sagte Matthes. Dass der Standort Ingolstadt auch mittelfristig bestehen bleibt, davon ist er überzeugt: "Ja, natürlich. Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung von Maschinen und die technische Unterstützung im After-Sales-Geschäft". Für den Betriebsrat ist es nun entscheidend, dass klare Zukunftsaufgaben definiert und junge Leute eingestellt werden und dass man auch wieder wachsen will, betonte Gerhard Hyna.

Der Schweizer Konzern erwartet sich durch den Umbau neben einer höheren Wettbewerbsfähigkeit auch Einsparungen von mehr als 15 Millionen Schweizer Franken (etwa 13,1 Millionen Euro) ab 2019. Für das laufende Jahr rechnet Rieter zunächst allerdings mit einer Belastung von etwa 36 Millionen Schweizer Franken.

Rieter ist ein traditionsreiches Unternehmen: Die Vorläufer des Ingolstädter Betriebs lassen sich bis ins Jahr 1883 zurückverfolgen. Doch der Produktionsstandort sei nicht mehr wirtschaftlich, begründete Falk Matthes Anfang des Jahres die Entscheidung zur Verlagerung. Die Löhne in Tschechien seien nach wie vor niedriger als in Deutschland. Und die Branche ist weiter im Wandel - die Kunden und Wettbewerber sitzen in Asien. Dort wo sich inzwischen auch große Teile der Produktion von Rieter befinden.