Ingolstadt
"Liebevoller Spott" als Erfolgsrezept

19.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:26 Uhr

Ein großes Herz für Tiere: Gaby Hauptmann mit "Gustl", den sie auf einer Fohlenauktion vor dem Schlachter gerettet hat. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Gaby Hauptmann hat zahlreiche Bestseller geschrieben, von denen viele auch verfilmt wurden. Am kommenden Donnerstag ist die beliebte Autorin bei der LeseLust im DK-Forum zu Gast. Unserer Redakteurin Silvia Obster hat sich mit der 53-Jährigen unterhalten.

Frau Hauptmann, in Ihren Romanen geht es oft um taffe Powerfrauen. Sind Ihre Hauptfiguren frei erfunden oder haben sie reale Vorbilder?

Gaby Hauptmann: Das ist recht unterschiedlich. Manchmal sind es eher Situationen, die mich reizen. Etwa bei "Rückflug zu verschenken" war es der Gedanke: Wie geht man damit um, wenn man von heute auf morgen vor dem Nichts steht, aus einer gesicherten Situation herausplumpst – sei es nun durch Jobverlust oder durch das Beenden einer Partnerschaft. Die Hauptfigur Clara ist nicht real, die kenne ich nicht. Aber die vier Mädels, die sie dann am Strand trifft. Auf Mallorca habe ich zur Vorbereitung auf das Buch zufällig diese vier Rheinländerinnen belauscht und beobachtet, die mich dazu inspiriert haben. Bei "Hengstparade" ist es hingegen ein Reiterhof in Niedersachsen. Weil ich da seit zehn Jahren mit meiner Tochter Urlaub mache, sind die Figuren sehr nahe an echten Personen dran – insbesondere in ihrer niedersächsische Mentalität. Man muss immer auch greifen können, worüber man schreibt, sonst wird es blutleer. Meinem Vater habe ich als Kind immer Rittergeschichten geschrieben. Der hat dann irgendwann mal zu mir gesagt, als mir nach drei Seiten nichts mehr eingefallen ist: Schreib’ über das, was du kennst. Und ich denke, das ist überhaupt der beste Rat.

Hatten Sie auch einmal einen Mann als Vorbild für eine Hauptfigur?

Hauptmann: In eine "Handvoll Männlichkeit" geht es um Günther, der an seinem 60. Geburtstag auf alle erdenklichen Arten herauszufinden versucht, ob er noch potent genug ist, um diese ins Auge gefasste 24-Jährige rumzukriegen – und möglichst das Konto abzuräumen, bevor seine Frau etwas spannt. Im Endeffekt ist es aber so: Da ich eine Frau bin, interessieren mich besonders die Frauen. Sie sind sehr vielschichtig und man kann ihnen durchaus mit liebevollem Spott begegnen. Eine Eigenart von uns ist es etwa, dass wir den Männern immer zeigen wollen, wie man etwas richtig macht – und sei es nur das Einräumen der Geschirrspülmaschine. Und so laden wir uns immer mehr auf und beklagen uns drüber, dass wir so viel zu tun haben. Die Männer sind in ihrem Leben viel gelassener. In meinen Geschichten versuche ich immer, die kleinen Schwächen der Männer und der Frauen auf die Schippe zu nehmen, sodass man einfach darüber lachen kann, weil man darin sich selbst oder seinen Partner erkennt und sagt: Hähä, genauso bist du auch.

Viele Ihrer Romane wurden auch verfilmt. Wie viel Einfluss hat man als Autorin auf die Umsetzung des Buches?

Hauptmann: Es kommt immer auf das Verhältnis zum Filmproduzenten an, und da ich Regina Ziegler (Anmerkung der Redaktion: deutsche Filmproduzentin) schon lange kenne und wir auch freundschaftlich miteinander verbunden sind, war das nie ein Problem. Sie hat mir die Drehbücher auch immer vorher gezeigt. Aber schlussendlich ist es so, dass sie es ist, die das Geld investiert. Nur wenn ich das selber bezahlen und produzieren würde, dann hätte ich auch das Recht, da voll einzugreifen, wenn mir etwas nicht passt. Aber ich finde die meisten Filme, die auf meinen Büchern basieren, sehr gelungen. Es gibt zwar auch einen, der mir nicht gefällt, weil ich ihn nicht so gut umgesetzt finde. Aber ich denke, das Wichtigste ist doch, dass man nach einem Film sagen kann: Ich habe mich gut unterhalten. Und diejenigen, die das Buch gelesen haben, wissen ja sowieso, dass das zwei verschiedene Paar Stiefel sind.

Sie schreiben ja auch Jugend- und Pferdebücher. Beziehen Sie Ihre 19-jährige Tochter da mit ein?

Hauptmann: Die Reiter-Bücher sind tatsächlich gemeinsam entstanden, weil meine Tochter ja auch doppelte Vize-Europameisterin in der Pony-Vielseitigkeit ist. Und wir haben auch einen Reitstall, wo wir unsere Pferde stehen haben und wo immer viele junge Mädchen sind. Dort finde ich meine Themen. Meine Tochter liest dann gegen. Ich denke, ältere Autoren, die Jugendbücher schreiben, tendieren zum "Überstylen", also jugendlicher als jugendlich zu schreiben und mit Ausdrücken um sich zu werfen, die die Jugendlichen dann schon wieder blöd finden. Oder zu krass. (lacht)

Sie sind ja auch privat eine große Tierliebhaberin.

Hauptmann: Ein Fohlen habe ich gerade vor dem Schlachthof gerettet: Der Gustl ist sechs Monate alt und konnte nur noch auf drei Beinen laufen. Der wird jetzt gesund gepflegt und steht mit ebenfalls geretteten Haflingern zusammen in einem Stall in Bad Aussee in Österreich. Ich denke einfach, jeder von uns muss in seinem Leben ein bisschen was abgeben von dem, was er hat. Und wenn es kein Geld ist, dann muss er es mit Taten tun.