Wolnzach
"Lieber weniger als gar nicht"

Gastronomin Julia Holzvoigt zeigt, dass Abstand halten auch in ihrem kleinen Café möglich wäre

04.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:25 Uhr
Tischerücken mit Mundschutz: Einen Regentag hat Julia Holzvoigt genutzt, um in ihrem Café einmal die österreichischen Vorgaben zur Gastro-Wiedereröffnung auszuprobieren. −Foto: Trouboukis

Wolnzach - Etwa 30 Sitzplätze, auf einer Gesamtfläche von rund 50 Quadratmetern. Julia Holzvoigts Café in Wolnzach ist nicht weitläufig, dennoch hat sie jetzt Tische und Stühle gerückt, um einen Beweis anzutreten: Wenn sich das in Österreich demnächst geltende Konzept zur Gastronomieöffnung schon bei ihr umsetzen lässt, dann wäre das in größeren Lokalen noch viel leichter möglich. Holzvoigt spricht das offen aus, was auch ihre Gastrokollegen trifft: "Wir fühlen uns nicht gerecht behandelt. So geht es nicht weiter."

 

Nicht mehr als vier Erwachsene und dazugehörige Kinder an einem Tisch. Ein Mindestabstand von einem Meter zwischen Gästegruppen. Tische müssen reserviert werden, um Warteschlangen zu vermeiden und die Planung für die Gastronomen zu erleichtern. Mitarbeiter müssen einen Mund-Nasenschutz oder ein Gesichtsvisier tragen, auch in "Gastgärten", nicht aber in Küche oder Lager, wo es keinen Gästekontakt gibt. Gäste am Tisch müssen dagegen keine Masken tragen. Das sind die Kernpunkte des österreichischen Konzepts für eine Wiedereröffnung der Gastronomie ab dem 15. Mai. Dass sich in Bayern bislang nichts tut, stößt verstärkt auf Unverständnis - auch in der Wolnzacher Gastronomie. "Dass dieser Lockdown so lange dauert, damit haben wir nicht gerechnet", sagt Julia Holzvoigt. Dabei sei sie am Anfang sogar - beinahe - erleichtert gewesen, als es endlich klare Ansagen gab, obwohl das die Schließung bedeutete. "Ab Mitte März waren die Gäste alle verunsichert und wir auch." Aber jetzt, wo das Leben langsam auf die Straßen zurück kehre, schwinde das Verständnis - nicht nur unter den Gastronomen, sondern unter den Gästen: "Es gibt ganz viele, die mit uns leiden." Ein Gastronomiebesuch, das sei für viele Menschen Lebensqualität, die ihnen jetzt gestrichen wurde - auf bislang immer noch nicht absehbare Zeit. Vor Julias Café mitten im Wolnzacher Zentrum sieht man einkaufende Menschen, beim Bäcker, Metzger und Buchladen gegenüber, beim Verbrauchermarkt direkt daneben. Die Gastronomiebetriebe jedoch sind weiter zu.

Einen regnerischen Tag hat Julia deshalb genutzt, um das österreichische Konzept einfach mal auszuprobieren - gerade in ihrem kleinen Lokal. Ergebnis des Tischerückens: "Das ist problemlos möglich - sogar bei uns." Das Einhalten von Abständen sei umsetzbar, natürlich auch die Maskenpflicht im Service, natürlich auch das Tischreservieren. Denn da ist sie überzeugt: "Die Leute reservieren doch gerne, wenn sie wissen, dass sie dann einen Sitzplatz bekommen." Vor allem jetzt, wo sie so lange vor verschlossenen Wirtshaustüren stehen und in Bayern nach aktuellem Stand immer noch stehen müssen.

Julia hat auch einen Außenbereich, ab dem Frühjahr bestuhlt sie zusätzlich den Marienplatz und kommt dann auf insgesamt gut 100 Sitzplätze. Normalerweise. Auch hier wäre das Einhalten von Abstandsregeln problemlos machbar, sagt sie: "Auch, wenn wir dann von mir aus insgesamt ein Viertel unserer Sitzplätze verlieren würden. Aber lieber weniger als gar nicht."

Auch andere Restaurants und Gastronomiebetriebe haben sich bereits mit der Möglichkeit der Umsetzung entsprechender Coronavorgaben auseinandergesetzt, wie Holzvoigt weiß. Die Solidarität und der Zusammenhalt der Wirte in der Marktgemeinde sei sehr groß, man sitze schließlich im selben Boot. Ihr kleines Café soll daher beispielgebend sein dafür, was möglich wäre - würde man nur seitens der Regierung endlich die Möglichkeit des Überlebens bekommen. Wie viele andere auch, so hält sie sich aktuell irgendwie über Wasser, bei ihr mit Lieferservice und dem Verkauf von Eis und Kuchen; dazu betreten die Gäste das Lokal durch die eine Türe und verlassen es durch eine andere, um Kontakt zu vermeiden. Ein Tropfen auf dem heißen Stein bei hohen laufenden Kosten, die auch der beste Notbetrieb nicht auffangen könne. Schwer wiegt aber noch etwas anderes: Jeder Gastronom lebt vom Gast, von Geselligkeit, vom Miteinander, von Genuss und guter Laune. Deshalb sei sie Gastronomin geworden. Holzvoigt: "Das vermissen auch die Leute, das spüren wir ganz deutlich."

Zusammen mit allen Betroffenen teilt die Wolnzacher Wirtin einen Wunsch, der sich in einem Wort ausdrücken lässt: "Normalität."

WZ