Letzte Chance

21.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:48 Uhr

Zum Nordbahnhof:

Der Landtagsausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur hat die Stadt Ingolstadt gebeten, "nachdrücklich zu überprüfen", ob das Empfangsgebäude des Nordbahnhofs "nicht doch erhalten werden kann". Das Thema ist ein Tagesordnungspunkt in der nächsten Stadtratssitzung.

Die Argumente für den Erhalt dieses für die Geschichte und das Stadtbild Ingolstadts markanten Gebäudes sind zu Genüge dargelegt, insbesondere die historische Bedeutung als wichtiges Zeugnis der Militär- und Industriegeschichte Ingolstadts und die städtebauliche Bedeutung als erster Bahnhof Ingolstadts von 1870, erbaut in charakteristischer Ständerbauweise. Auch Entwürfe für sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten gibt es in großer Zahl. Eine ganz neue Situation im Umgang mit dem Bahnhof schafft die aktuelle Entscheidung des Hochschulausschusses, der den Nordbahnhof als durchaus erhaltenswert beurteilt.

Niemand will am Nordbahnhof eine märchen-nostalgische Märklinwelt, jeder sieht, dass das Gebäude heruntergekommen und unansehnlich ist, und doch ist das Interesse der Bevölkerung am Erhalt des Gebäudes sehr groß, wie wir in den letzten zehn Jahren als Bürgerinitiative und in den letzten Wochen aus Äußerungen in Leserbriefen erfahren konnten. Jeder will eine Modernisierung des Nordbahnhofumfeldes als Entree zur Stadt, mit großstädtischer Gestaltung. Urbanität bedeutet jedoch nicht abreißen und neu hinklotzen, sondern eben auch sorgfältige Überplanung des Gesamtareals, wozu auch die Schaffung eines Raums im Vorfeld des Gebäudes gehört.

Der Erhalt eines Bahnhofsvorplatzes ist nur durch eine Winkellösung mit Modernisierung des bestehenden und Anfügen eines modernen neuen Gebäudes möglich. Das hätte nach unserer Meinung Inhalt der Ausschreibung sein müssen. Damit wäre auch der Aufforderung des Landtagsausschusses Rechnung getragen. Die Chance, bereits in der Ausschreibung für die Überplanung des Geländes als Bedingung den Erhalt des Gebäudes festzuhalten, wurde nicht genutzt, obgleich diese Aufgabe ja die eigentliche Herausforderung für die Architekten bedeutet hätte.

Dass eine Planung mit Integration des historischen Gebäudes gelingen kann, zeigen ja einige gute Entwürfe. Deshalb gilt es jetzt, die sich bietende Chance zu nutzen und eine integrative Platzlösung an dieser Stelle zu finden. Ein bloßer Rückzug auf die veranschlagten Baukosten erscheint nach dem Votum des Landtagsausschusses nicht mehr gerechtfertigt.

Wie auch immer die Entscheidung ausgeht, bitte ich den Oberbürgermeister und alle Stadträtinnen und Stadträte einzeln, sich vorzustellen, dass dieses historische und mittlerweile schon legendäre Gebäude irreversibel aus dem Stadtbild getilgt wird und ein beliebiger, mit Autos gefüllter Quader, der überall in der Republik stehen könnte, den Platz zerstört und die Sicht beherrscht.

Gerhard Schmidt

Ingolstadt