Landkreis Roth
Leere Versprechen: Landrat Herbert Eckstein kritisiert vollmundige Ankündigungen der Staatsregierung

06.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:30 Uhr
Vorschriftsmäßige Schutzkleidung: Helm, Mund- und Nasenschutz, Kittel und Handschuhe müssen Ärzte und Pfleger tragen, die einen Covid-19-Patienten beatmen sollen. Doch momentan herrscht großer Mangel an medizinischer Ausrüstung. −Foto: Rudolph

Hilpoltstein/Roth Trotz gegenteiliger Versprechen der bayerischen Staatsregierung stockt die Belieferung mit Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmitteln für Kliniken, Arztpraxen und Altenheime noch immer gewaltig. Landrat Herbert Eckstein (SPD) kritisiert vor allem die Erwartungshaltung, die die Staatsregierung schürt, aber nicht erfüllen kann. "Wenn sie sagen würden, Leute, es gibt Engpässe, würde das jeder akzeptieren", sagt Eckstein. Denn es gebe derzeit kaum benötigtes Material. Das werde sich auch in den nächsten zwei Wochen nicht ändern. "Es kommt einfach zu wenig."

 

Ein Engpass, der katastrophale Folgen haben könnte. "Wenn ein Covid-Patient zwei Wochen lang beatmet wird, braucht man ungefähr 1500 Masken", sagt Eckstein. Seit 23. März hat der Landkreis insgesamt 7000 Masken der Schutzklasse FFP 2, nötig zum Schutz des Klinikpersonals vor infizierten Patienten, von der Staatsregierung bekommen. Eckstein hat sich jede einzelne Lieferung notiert - auf einem Zettel, mehr braucht es dazu nicht.

Wenn die Leute im Fernsehen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sehen würden, der zum Beispiel für jeden Landkreis 1000 Liter Desinfektionsmittel pro Tag verspreche, würden falsche Erwartungen geweckt. Tatsächlich seien bisher zwei Materiallieferungen im Landkreis angekommen. Seit Mitte März habe der Katastrophenschutz einmal 440 Liter, einmal 430 Liter und einmal 280 Liter Handdesinfektionsmittel geliefert.

"Die sollen nicht so viel erzählen", schimpft Eckstein auf Minister wie Aiwanger. "Ich würde mir wünschen, dass die einfach mal zwei Wochen lang schweigen." Die Staatsregierung sollte viel lieber die Landkreise ermächtigen, selbst Material zu bestellen. "Wir haben seitens der Landräte da schon Druck gemacht", sagt Eckstein.

Für wenig hilfreich hält der Rother Landrat auch den Notfallplan von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml. Ein so genannter Versorgungsarzt soll in jedem Landkreis dafür sorgen, dass die niedergelassenen Ärzte genügend Schutzmaterial erhalten, um den Praxisbetrieb zu sichern. "Man kann nur hoffen, dass der größte Teil der Krise bewältigt ist. Denn das ist das Chaotisieren der bestehenden Strukturen", kritisierte Andreas Gassen, Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) am Mittwoch im "Frühstart" der RTL/ntv-Redaktion, das Corona-Krisenmanagement der Staatsregierung scharf.

"In der Sache hat er Recht", findet Landrat Eckstein. "Wir müssen die Strukturen wirklich flach halten. Unsere Stärke ist, dass das Landratsamt alles bündelt." Allerdings, so Eckstein, sei die KV die letzte Institution, die das kritisieren dürfte. Denn der Landkreis habe schon von Anfang an versucht, auch die niedergelassenen Ärzte mit Material zu versorgen, sofern es das der Mangel zuließ. "Die KVB hat das nicht zusammengebracht", sagt Eckstein. Dass jetzt mit der Einsetzung eines Versorgungsarztes alles besser werde, bezweifelt der Landkreischef.

Im Landkreis hat Allgemeinmediziner Jürgen Büttner aus Roth seit Montag vergangener Woche diese Funktion. Ihm ist die KVB im Landkreis untergeordnet. Büttner soll laut Gesundheitsministerin Melanie Huml die Versorgung der niedergelassenen Ärzte mit Schutzausrüstung sicherstellen. Wo er sie hernehmen soll, erklärt die Ministerin nicht. Selbst wenn in Bayern 100000 Schutzmasken geliefert würden, bekäme jede der 25000 Arztpraxen lediglich 4 Schutzmasken, erklärte Büttner kurz nach seinem Amtsantritt. Lächerlich wenig.

Etwas sauer auf die KVB ist Eckstein in Bezug auf die gemeinsame Corona-Teststation in Hilpoltstein. Wenn er da lese, dass die KVB fünf bis sieben Tage brauche, um Betroffenen ein negatives Testergebnis mitzuteilen, findet er das unerträglich. Das Gesundheitsamt des Landkreises brauche dafür nur zwei bis drei Tage. Es informiert aber nur Menschen, die positiv getestet wurden. Das Landratsamt habe der KVB angeboten, auch negative Mitteilungen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes mit zu übernehmen - ohne Erfolg, sagt Eckstein. Verstehen kann er diese Weigerung nicht: "Den Leuten ist es doch völlig egal, ob sie vom Gesundheitsamt oder von der KVB zum Test geschickt werden."

HK

Robert Kofer