Ingolstadt
Leben im Öltank

Bund Naturschutz fordert Ausweitung des Naturschutzgebiets Kälberschütt auf das Bayernoilgelände

17.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:23 Uhr

Fester Plan: Wo einst Benzin produziert wurde, kehrt jetzt die Natur zurück. Das einstige Bayernoilgelände sollte zu einem Drittel dem benachbarten Naturschutzgebiet zugeschlagen werden, finden nicht nur Georgine Müller (3. v. l.) und Klaus Schmöller (4. v.l.) vom Bund Naturschutz - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Die Bayernoil-Raffinerie ist Geschichte, was mit dem Gelände passiert, noch nicht entschieden. Der Bund Naturschutz lud am Wochenende zu einer Führung über das Areal, das zum Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere geworden ist. Es könnte Teil des angrenzenden Naturschutzgebietes werden.

Die Wanderfalken waren schon da, da wurde in der Raffinerie noch gearbeitet. Sie nisteten am rot-weiß gestreiften Schlot und waren gern gesehen, hielten sie doch die lästigen Tauben von sensiblen Geräten ab. Auch sonst sei das Industriegelände schon damals ein wertvoller Lebensraum gewesen, erinnert sich Klaus Schmöller, Pflanzen- und Vogelexperte des Bund Naturschutz (BN). Freie Flächen wurden regelmäßig gemäht, um eine Verbuschung zu vermeiden. Hier siedelten sich Pflanzen an, deren Samen aus dem benachbarten Naturschutzgebiet Kälberschütt – dem einzigen der Stadt Ingolstadt – auf das Gelände wehten. 2008 wurde die Raffinerie heruntergefahren. Seit dem läuft der Abbau. Die Falken wurden bereits umgesiedelt, schließlich soll ihr Kamin noch in diesem Jahr gesprengt werden.

Der BN wünscht sich künftig eine dreigeteilte Nutzung des Geländes: „Je ein Drittel FC Ingolstadt 04, Gewerbe- und Naturschutzgebiet“, bringt es die Vorsitzende Georgine Müller bei ihrer Begrüßung auf eine einfache Formel. Wie das bestehende Schutzgebiet auf das Areal ausgeweitet werden kann, hat die Geografin Christina Fehrmann erforscht. Ein zentraler Bestandteil ist dabei die Wiederbelebung eines Altwassers der Donau, wie sie auf einer Karte erläutert, die den früheren Flussverlauf zeigt. „Das Wasser kann eine natürliche Grenze zwischen dem ausgeweiteten Naturschutzgebiet und der Bebauung bilden“, so die Expertin.

Dann geht es die ersten Meter über eine trockene Fläche, die Hitze flimmert. Hier wachsen Tausendguldenkraut, der blaue Natternkopf und sogar Enziane. Sie sind über Lech und die Donau aus den Bergen gekommen. Kurz vor der Gruppe steigt eine Rohrweihe in den Himmel. „Extrem selten“, sagt Schmöller mit Blick auf den Greifvogel. „Im vergangenen Jahr haben hier sogar Flussregenpfeifer gebrütet.“ Es geht nur langsam voran, auf Schritt und Tritt gibt es Besonderheiten zu entdecken.

„Sind wir hier schon im Naturschutzgebiet oder noch auf dem Raffineriegelände“, fragt eine irritierte Besucherin ihre Begleiterin. Tatsächlich ist die Hinweistafel, die den Eingang zum Kälberschütt markiert, ein ganzes Stück entfernt. Noch marschiert die Gruppe über das Bayernoilgelände. „Die Natur erobert sich das Gebiet zurück“, sagt Klaus Schmöller. In den aufgelassenen Tanks sprießen bereits Orchideen, weiß er. Diesen wertvollen Lebensraum dem angrenzenden Naturschutzgebiet zuzuschlagen sei „eine historische Chance“, sagt er. Um die zu nutzen, muss das Gebiet gepflegt werden. Bereits jetzt wachsen Sträucher zwischen den seltenen Pflanzen hervor und drohen, sie zu überwuchern. Eine Fichte rupft Schmöller im Vorbeigehen gleich eigenhändig aus dem Boden. Ihr nimmt sich die Stadträtin Angelika Wegener-Hüssen an. „Die pflanz’ ich in den Garten“, kündigt sie an und packt sie in ihre Tasche. Ginge es nach dem Konzept von Fehrmann, werden hier künftig Weidetiere für einen ausgeglichenen Bewuchs sorgen. „Für dieses Projekt müssen wir Werbung machen“, sagt Müller. Dass sich Engagement auszahlen kann, habe das Naturschutzgebiet Kälberschütt gezeigt. Denn eigentlich hätte hier ein Gasunternehmen bauen sollen. Nach Protesten der Ingolstädter Bevölkerung dachte die Stadtspitze um Oberbürgermeister Peter Schnell allerdings um. Statt dem britischen Konzern BOC durften sich hier 1992 Sumpfrohrsänger und Nachtigallen ansiedeln.