Lawra: Von der Höhle zum Kloster mit Ehrentitel

Teil II der Kiew-Serie

04.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:26 Uhr

−Foto: Josef Bartenschlager

Kiew (dk) Das Heilige-Maria-Himmelfahrt-Kloster, auch Höhlenkloster oder Lawra genannt, gilt als weitere Keimzelle der russisch-orthodoxen Kirche. Es ist eines der ältesten russisch-orthodoxen Klöster der Kiewer Rus. Ursprünglich handelte es sich wohl um natürliche Höhlen am hügelig aufragenden Westufer des Dnjepr, die von Einsiedlern und Mönchen genutzt und künstlich erweitert wurden.

Heute sind viele dieser Höhlen und Gänge für Besucher erschlossen. Unter Platzangst darf man allerdings nicht leiden. Mit Kerzen in den Händen geht es tief hinab. In Nischen stehen Glassarkophage mit den Körpern verstorbener Mönche. Hier unten wurden sie mumifiziert. Sie sind in kostbare Gewänder gehüllt; manchmal sieht man eine verdorrte Hand. Manch einer ist froh, wenn er dieser Unterwelt wieder entronnen ist.

Der riesige Komplex ist von Mauern umschlossen und in zwei Bereiche unterteilt: die obere und die untere Lawra. Zahlreiche prächtige Bauten prägen das Kloster, darunter die Maria-Himmelfahrts-Kathedrale, die Dreifaltigkeitstorkirche, die Allerheiligenkirche, die Kreuzerhöhungskirche oder die Gottesmutter-Geburtskirche. Der Besucher sollte, obwohl es natürlich sehr lohnend ist, nicht nur die architektonischen Schönheiten bewundern, sondern sich auch von der gelebten Religiosität dieses Orts inspirieren lassen. Seit mehr als 20 Jahren gibt es hier wieder ein reges Mönchsleben.

Den Aufzeichnungen der Nestor-Chronik (nach seinem Verfasser Nestor so genannt) nach ließ sich ein Einsiedler namens Antonij 1013 hier nieder. Zu ihm gesellte sich der Mönch Feodosij und beide gründeten ein orthodoxes Kloster. Ende des 11. Jahrhunderts entstand hier der erste Bau der Maria-Himmelfahrt-Kathedrale. Wegen sein Bedeutung erhielt das Kloster den Ehrentitel „Lawra“, eine sehr seltene Auszeichnung.

Ursprünglich heißt „Lawra“ Gasse und bezeichnet eine Einsiedlerkolonie. Die Mönche lebten als Einsiedler, feierten aber gemeinsam die Liturgie. Von da aus entwickelte sich der Begriff zu einem Ehrentitel für besondere Klöster.

Im Höhlenkloster dominiert - wie in der Sophienkathedrale oder dem Michaelskloster im ukrainischen Barock. Wichtige Gotteshäuser auf dem Gelände sind die Maria-Himmelfahrts-Kathedrale, die 1941 gesprengt und von 1998 bis 2000 wieder aufgebaut wurde, die Dreifaltigkeitstorkirche, die Allerheiligenkirche, die Kreuzerhöhungskirche und die Gottesmutter-Geburtskirche. Mit dem Bau der großen Glockenturms wurde 1731 begonnen.

Auf dem Gelände der Lawra befinden sich mehrere Museen. Das bedeutendste dürfte das Museum der historischen Kostbarkeiten der Ukraine sei, das Goldschmuck aus der Zeit der Skythen oder aus der Zeit der Kiewer Rus zeigt. Sehenswert ist auch eine Ausstellung von Miniaturkunstwerken. Man kann sie richtig nur unter Lupen oder sogar Mikroskopen erkennen. Wer das Höhlenkloster erkunden will, muss jede Menge Zeit mitbringen.