Pfaffenhofen
Lach’ doch mal beim Sterben

Diesjähriger Palliativtag beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema Humor

02.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

−Foto: Stolle, Frank, Reichertshausen

Pfaffenhofen (PK) Der regionale Palliativtag, heuer zu Gast in Pfaffenhofen, hat sich am vergangenen Samstag unter anderem mit dem Thema „Humor in der Hospizarbeit“ beschäftigt. Geboten waren außerdem zahlreiche Fachvorträge und ein kulturelles Rahmenprogramm.

Der Beamer warf ein Foto von Pippi Langstrumpf an die Wand. Aber etwas stimmte nicht: Die langen roten Zöpfe, die Sommersprossen, das spitzbübische Grinsen, das ja – aber der Rest? Ein vor der Schwerkraft kapitulierender Busen und Hautlappen an den Unterarmen, die fast über die Stuhllehne hängen. „Das ist unschön“, meinte Referent Markus Proske (kleines Foto), der Astrid Lindgrens berühmte Kinderromanfigur für seinen Vortrag digital verfremdet hat, und er zeigte auch noch explizit mit dem Laserpointer auf das Zuviel an alter Haut. Keine ganz ungefährliche Bemerkung, doch im Publikum wurde gekichert.

Proske war Gastredner beim diesjährigen Palliativtag, der heuer vom Hospizverein Pfaffenhofen ausgerichtet wurde, und er referierte über das Thema „Humor in der Hospizarbeit – Geht das? Darf das sein? Ja es muss sogar!“ Der aus dem schwäbischen Binswangen stammende Proske – er ist seit gut 15 Jahren als Demenzberater und Humortherapeut in Hospizen, aber auch in Behörden und Unternehmen tätig und war davor, man höre und staune, selbstständiger Metzgermeister mit 30 Angestellten – glaubt fest daran: „Lachen gehört zum Leben und zum Sterben. Aber humorvoll mit den Belastungen im Sterben umzugehen, heißt nicht, die Dinge nicht ernst zu nehmen.“ Wenn es vielmehr gelänge, auch schwierige Situationen „mit heiterer Gelassenheit“ zu betrachten, dann würden sich „neue Perspektiven und Emotionen eröffnen“, ist der Therapeut überzeugt.

Und diese Maxime brachte Markus Proske, ein kleiner, drahtiger Mann mit Lachfalten im Gesicht, in seinem gut einstündigen Vortrag auch überzeugend rüber, angereichert mit vielen Zitaten mehr oder weniger prominenter Menschen, die sich zum Thema Gedanken gemacht haben, mit Verweisen auf wissenschaftliche Studien und mit jeder Menge Karikaturen (Beispiel: „Sagt ein Großvater mit Rollator zum anderen: „Kleines Wettrennen zum Supermarkt?“ Antwort: „Gern. Interessanter wäre aber, wer zuerst wieder zurück findet!“).

Trotzdem ganz wichtig, Markus Proske wiederholte es mehrfach: „Humor bedeutet nicht, Witze zu reißen.“ Sondern es sei das sensible Eingehen auf die Lebenssituation des Dementen oder Sterbenden, das Verbreiten von Freude, aber auch von Normalität. Ebenso sollten die Hospizbegleiter den Bewohnern „ihre eigene Realität lassen“, das schaffe am ehesten Freude und führe zum Lachen.

Und dieses Lachen, so der Therapeut weiter, das tue nicht nur der Seele gut. „Das Immunsystem wird aktiviert, im Körper werden Opiate ausgeschüttet, die schmerzlindernd wirken, gleichzeitig wird das schädliche Stresshormon Kortisol abgebaut.“ Und der Körper bilde mehr rote Blutkörperchen, was gut ist für den Sauerstoffgehalt.

Es gebe sogar einen eigenen naturkundlichen Forschungszweig dazu, die Gelotologie, die Wissenschaft von den physischen und psychischen Auswirkungen des Lachens. Im akademischen Sinne ist sie noch vergleichsweise jung, erst zu Beginn der 1960er Jahre entstanden. Der schwer kranke amerikanische Wissenschaftsjournalist Norman Cousin, referierte Proske, habe beobachtet, wie ihm das Lachen gegen die Schmerzen half – und diese Erkenntnisse dann später, nach seiner überraschenden Heilung, gemeinsam mit dem Stanforder Hochschulprofessor William Fry systematisch untersucht. Über seine Arbeit hat übrigens auch Markus Proske ein Buch geschrieben, es heißt „Der Demenz-Knigge“ und erscheint im Dezember dieses Jahres.

Beim von morgens 9 Uhr bis in den späten Nachmittag andauernden Palliativtag, durch den der Arzt Wolfgang Moll vom Vorstand des Pfaffenhofener Hospizvereins führte, ging es aber auch um andere Themen. Sabine Landes aus München beispielsweise beschäftigte sich in ihrem Referat mit einem Thema, das erst in der jüngeren Vergangenheit relevant geworden ist: dem sogenannten digitalen Nachlass. Denn wenn heute ein Mensch stirbt, dann vererbt er beispielsweise nicht nur ein Sparbuch, Hausrat oder im besten Fall ein Häuschen – sondern womöglich auch Accounts bei Twitter und Facebook, bei Instagram, Youtube und Whatsapp. Mit manchmal Hunderten, ja Tausenden von Fotos, Filmen und Gesprächsprotokollen. Briefe und Postkarten, so sie denn für die Nachwelt zu kompromittierend waren, die konnte man früher verbrennen. Aber was das Netz einmal an Daten in seinen imaginären Krallen hat, das gibt es nur schwer wieder her.

Die Münchner Hospizbegleiterin Piret Paal erörterte, welche neuen kulturellen Herausforderungen auf die Ehrenamtler zukommen – etwa im Falle von Migranten oder chronisch Behinderten, vor allem solchen mit seelischen Leiden. Hintergrund: Erstmals seit Kriegsende trete derzeit und in den nächsten Jahren in Deutschland eine ganze Generation an psychisch Kranken ins Greisenalter ein – denn vor 1945 fielen Tausende dieser Menschen dem Euthanasieprogramm der Nazis zum Opfer. | Foto: Paul

KARIKATUREN  UND  EIN  KERZENMEER

Der achte Palliativtag des Regionalkreises Hospizarbeit der Landkreise Erding, Freising, Kelheim, Landshut und Pfaffenhofen hat diesmal in Pfaffenhofen stattgefunden. Dabei gab es einerseits Fachvorträge, andererseits ein kulturelles Begleitprogramm: Bei der Langen Nacht der Kunst und Musik am Freitagabend etwa wurde due Wanderausstellung „Sie hat mir der Himmel geschickt“ im Rathaus mit einer Vernissage eröffnet. Gezeigt werden Karikaturen, die humorvoll das Thema Sterben aufgreifen. Später am Abend stimmte die Aktion „Die Ilm brennt“ auf den Palliativtag ein: 1000 Lichter wurden zum Gedenken an die bisher begleiteten Menschen auf der Ilm zwischen Arlmühle und Freibad eingesetzt.

Geboten war am Samstag außerdem eine musikalisch begleitete Lesung von Juliane Uhl. Sie berichtete über ihre Arbeit in einem Krematorium. Und Volker Patalong ging auf das Wesen des Todes in Märchen ein – mit Geschichten vom Umgang mit dem Unausweichlichen und Erzählungen, wie der Tod überlistet wurde. Die Palliativtage waren mit einem Auftritt von Klinikclowns und einem „Tanz für das Leben“ außerdem auch auf der Gartenschau vertreten. | PK