Ingolstadt
Kurzer Prozess

Berufungsverfahren gegen angeblich korrupten ehemaligen Audi-Einkäufer könnte am Montag überraschend enden

08.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:59 Uhr

Ingolstadt (DK) Es gab bereits mehrere Runden zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten. Schon am Amtsgericht saßen Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidiger mehrfach zusammen und wägten ab. Dann vor dem Start der großen Berufungsverhandlung am Landgericht in anderer Besetzung wieder - aber erneut erfolglos.

Und nun traten am Freitag der Vorsitzende Richter Thomas Denz, die Anklägerin und die Anwälte ein weiteres Mal hinter verschlossener Tür zusammen, um über ein vorzeitiges Ende des Prozesses zu beraten. So nah wie jetzt war der Schlussstrich unter die seit nun schon acht Jahre laufende Aufarbeitung der Korruptionswürfe gegen einen ehemaligen Audi-Einkäufer noch nie. Bis zum nächsten regulär geplanten Verhandlungstermin am Montagmorgen in Ingolstadt haben sich die Verteidigung und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft München II als Bedenkzeit ausgebeten. Dann werden sie sich erklären und möglicherweise der Einstellung des Verfahrens (gegen eine noch näher zu benennende Auflage) zustimmen.

Damit ginge dann doch überraschend schnell der umfangreiche Berufungsprozess zu Ende, der am Donnerstag startete und ursprünglich auf sieben Tage angesetzt war. Für Prozessbeobachter war das mögliche jähe Ende so kaum vorauszusehen. Der frühere Einkäufer für Blechteile kämpfte seit vielen Jahren darum, seinen Ruf vollständig reinzuwaschen und wollte einen kompletten Freispruch erreichen. Vom Ingolstädter Amtsgericht war er zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Bis jetzt weist er den Vorwurf von sich, er habe zwischen 2002 und 2008 monatlich 1000 Euro von einem Audi-Zulieferbetrieb eingesteckt und sich zudem rund zwei Dutzend Hotel- und Bordellbesuche im deutsch-österreichischen Grenzgebiet zahlen lassen.

Die Anklageseite geht davon aus, dass der längst beim Autokonzern ausgeschiedene Ingolstädter das regelmäßige Schmiergeld und die weiteren Dienstleistungen von den Verantwortlichen des Metallverarbeitungsbetriebs eingefordert hatte. Diese ließen sich angeblich auf die anrüchige "Kontaktpflege" ein, weil sie fürchten mussten, sonst von der Bieterliste des Autobauers zu fliegen; beziehungsweise die Hoffnung hatten und dabei mit seiner Unterstützung rechneten, genau dort zu bleiben, um an lukrative Aufträge zu kommen. Und beim Schmieren von Einkäufern war die Firma aus dem Westerwald schon geübt, da sie nachweislich damals monatlich rund 2500 Euro an einen inzwischen rechtskräftig zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilen Ex-Audianer gezahlt hatte.

Wie das mit dem jetzt Angeklagten lief, erklärte am Freitag einer der damaligen Geschäftsführer des Zulieferbetriebes im Zeugenstand. Dem 50-Jährigen, der die Firma aufkaufte und später weiterveräußerte, kommt eine Schlüsselrolle in der ganzen Schmiergeldaffäre zu. Er hatte seinen früheren Geschäftsfreund aus Ingolstadt bei den Ermittlungsbehörden angeschwärzt, nachdem er 2008 in Untersuchungshaft saß. Am Freitag bestätigte der Geschäftsmann noch einmal die Zahlung von regelmäßig 1000 Euro an den Einkäufer. Auch die Hotels und Bordells habe immer nur er bezahlt. Allerdings wichen seine Angaben bei der fast dreistündigen Befragung immer wieder von dem ab, was das Gericht tags zuvor von Mitarbeitern und dem Firmengründer des Zulieferers gehört hatte.

Nicht zuletzt deshalb traten die Prozessbeteiligten nach der Aussage des Zeugen zusammen, um über ein vorzeitiges Ende zu beraten.

Pikant ist ein anderes Detail der Affäre, das am Freitag erneut zur Sprache kam. Schon tags zuvor hatten Mitarbeiter der Firma angedeutet, der 50-Jährige sei auch ohne offizielle Funktionsbeschreibung noch im Geschäft aktiv. Dabei, so war nun am Freitag von dem Mann selbst zu hören, hatte er seine Firma angeblich auf Drängen von Audi aus Ingolstadt veräußert und sich verabschieden sollen. Das natürlich, um den Korruptionsgeruch von dem Zulieferer abzustreifen. Nach wie vor arbeitet der Metallbetrieb für den Volkswagen-Konzern, berichteten Angestellte. Dies ist nur ein Randaspekt des komplexen Verfahrens, das am Montag enden könnte.