Kulturrevolution in Ingolstadt

04.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr

Die Kulturrevolution verbreitete vor 50 Jahren Angst und Schrecken in China. Die Kampagne der damaligen kommunistischen Parteiführung artete letztlich in Terror und Mord aus, sie hat sich im Gedächtnis des chinesischen Volkes tief eingebrannt. In Ingolstadt ist gerade eine ganz andere Art von Kulturrevolution im Gange. Dabei fließt zwar kein Blut, aber das kulturelle Klima droht sich dadurch massiv zu verschlechtern. Ein Kommentar von DK-Redakteur Reimund Herbst.

Schon der instinktlose Umgang mit dem sanierungsbedürftigen Stadttheater verstörte im vergangenen Herbst viele Ingolstädter, denen das Haus am Herzen liegt. Erst nach öffentlichen Protesten konnten sich Stadtregierung und Stadtrat zu einer Solidaritätserklärung für das Theater durchringen, dessen Fassade die jahrelange Vernachlässigung deutlich verrät.

Doch auch hinter der Fassade der städtischen Kulturverwaltung spielen sich mehr als unerfreuliche Dinge ab. Der verantwortliche, von allen Fraktionen sehr geschätzte Referent Gabriel Engert wird regelmäßig von Finanzbürgermeister Albert Wittmann attackiert und auch in öffentlichen Sitzungen brüskiert. Eine vernünftige Arbeitsatmosphäre unter Stadtministern stellt man sich anders vor, zumal unter CSU-Parteifreunden. Bei Ruben Gazarian, dem Chefdirigenten des Georgischen Kammerorchesters, sollen inzwischen die Zweifel wachsen, ob er unter den gegebenen Umständen noch lange Leiter des Ensembles bleiben soll.

Jetzt kommt auch noch die anrüchige Besetzung des neuen Kulturmanagement-Postens hinzu, die mehr als nur einen parteipolitischen Beigeschmack hat und an Amigo-Zeiten erinnert. Alles zusammengenommen lautet die Zwischenbilanz: Zu Beginn der Ära Lösel ist viel Vertrauen in die städtische Kulturpolitik zerstört worden. Komme niemand daher und addiere all die Millionen, die Jahr für Jahr von der Stadt in die Kultur investiert werden. Das ist unbestreitbar. Aber wenn die CSU-dominierte Stadtregierung das Thema mit dem gleichen Elan angepackt hätte wie den Bau eines neuen Fußballstadions, wäre das Stadttheater heute schon längst saniert.