stadtgeflüster
Küss die Hand, Frau Magistra

29.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:27 Uhr

Es ist Ihnen sicher schon aufgefallen, dass der DONAUKURIER grundsätzlich keine Doktortitel schreibt.

Mit einer einzigen Ausnahme: Dr. Alois Unterkircher vom Deutschen Medizinhistorischen Museum, denn der Mann ist Österreicher. Das geht gar nicht anders. In einem Land, wo Schüler ihren Lehrer mit Herr Professor ansprechen müssen und jeder richtige Professor beleidigt ist, wenn man ihm nicht mindestens als Herr Universitätsprofessor die Ehre erweist, kann das Ignorieren eines Titels unschön enden. Ist der Gelehrte mit einer Akademikerin zweiter Güte verheiratet, empfiehlt sich anzufügen: "Küss die Hand, Frau Magistra! " Nur Österreicher führen den Titel Magister artium im Ernst. Noch weniger Prestige genießt (zu recht) der Bachelor, Ausgeburt einer Universitätsreform. Den Diplomingenieur, weltweit geachtetes Gütesiegel für deutsche Wertarbeit, hat man seltsamerweise abgeschafft.

Zurück zu den seriösen Medien. Sie nennen keine Doktortitel, weil es blöd klingt, wenn man es konsequent durchzieht. Im "heute journal" erzählt Moderator Claus Kleber (Dr. Claus Kleber übrigens, er hat in Jura promoviert), ja auch nicht, dass sich Dr. Angela Merkel mit Dr. Markus Söder getroffen hat und bei den Grünen Dr. Anton Hofreiter auf die Magistra artium Katharina Schulze sauer ist.

Bei uns gerät man da nicht so schnell in Verlegenheit, denn Ingolstadt ist stark unterakademisiert. Während seit 1945 fast jede größere bayerische Stadt eine Universität bekommen hat (sogar Bayreuth, das muss man sich mal vorstellen! ), gingen wir leer aus. Für Historiker "die fatalste strukturpolitische Fehlleistung in Ingolstadt seit der Sprengung der Landesfestung".

Die Technische Hochschule gleicht das Defizit an akademischer Glorie nicht ganz aus. Sie ist eher eine Alma Mater für gehobene Automobillehre. Ohne Promotionsrecht. Da rümpfen Professoren, Dr. habils und andere Gscheidhaferln von Technischen Universitäten die Nase.

Die Vermessung des Ingolstädter Geisteshorizonts nach Bildungsdünkel-Kriterien tut Not, weil derzeit in der Politik an der Qualifikation der Bürgermeisterkandidatin Petra Kleine (Grüne) herumgenörgelt wird. Die habe ja keinen Universitätsabschluss, heißt es. Eine Studienabbrecherin im Rathaus? Wie schaut das denn aus! Kleine erwiderte im DK (siehe die gestrige Ausgabe): "Ich habe mein Jurastudium mit einem erfolgreichen Kind abgeschlossen. " Das ist auf jeden Fall erstrebenswerter als hochspannende Doktorarbeiten über "Betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung" oder "Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen in Bayern"; das erste Thema behandelte übrigens Dr. Christian Lösel, das zweite Dr. Christian Scharpf.

Immerhin hat Petra Kleine Abitur. Das bayerische Abitur! Damit könnte sie in Nordrhein-Westfalen oder Bremen Universitätskanzlerin werden, ohne vorher studieren zu müssen.

sic