München
Krippenplätze verzweifelt gesucht

In einem Jahr gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz – Großstädte hinken noch hinterher

10.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:11 Uhr

Kleine Künstler in der Krippe: Ab August gilt ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren - Foto: Willing/dapd

München (dapd) Die Zeit wird immer knapper: In einem Jahr kommt die Betreuungsgarantie für Kleinkinder. Gibt es bis dahin genug Krippenplätze

Julius aus München ist ein Glückskind. Finden zumindest seine Eltern. Der 15 Monate alte Junge hat nämlich, worauf viele gleichaltrige Kinder verzichten müssen: einen Platz in der Kinderkrippe. Seit Jahren ist der Ansturm auf Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder in der bayerischen Landeshauptstadt enorm. Die verzweifelten Eltern melden ihren Nachwuchs oft schon während der frühen Schwangerschaft an – wer erst nach der Geburt aktiv wird, erhält vom Krippenpersonal nur ein mitleidiges Lächeln.

Die Hoffnungen vieler Eltern ruhen nun auf dem 1. August 2013. Mit diesem Datum tritt bundesweit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren in Kraft. In den Kommunen drängt die Zeit. Experten warnen, dass die Kommunen ab nächstem Sommer von einer Klagewelle überrollt werden, sollte es nicht genügend Krippenplätze geben.

Allein in München fehlen nach Angaben von Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) noch 5000 Betreuungsplätze für Kleinkinder. Vergangene Woche legte die Ministerin im Kabinett einen Bericht zum Ausbau der Kinderbetreuung in Bayern vor. Die Situation in den Großstädten sei besorgniserregend. „Diese Kommunen müssen ihr Ausbautempo noch deutlich erhöhen“, lautete das Fazit der CSU-Politikerin. Der Präsident des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), sagt, es werde im Freistaat zwar „auf Teufel komm raus“ gebaut. „Aber wir glauben alle nicht, dass das reichen wird.“ Trotz der enormen finanziellen Bemühungen von Kommunen und Land werde es bis 2013 nicht genug Krippenplätze in Bayern geben, meint Maly.

Das Problem: Bei den Schätzungen, wie viele Betreuungsplätze eigentlich benötigt werden, liegen die Fachleute weit auseinander. In München etwa melden viele Eltern ihr Kind aus purer Verzweiflung nicht selten in mehreren Einrichtungen gleichzeitig an und sorgen so für eine schiefe Statistik.

Auch der Gesetzgeber sorgt für Verwirrung. Der vom Bund gewährte Rechtsanspruch bezieht sich nämlich nur auf Kleinkinder zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr, nicht eingerechnet sind dabei jüngere Kinder. Gleichzeitig geht die Bundesregierung davon aus, dass der Bedarf bereits bei einem Betreuungsgrad von 35 Prozent abgedeckt ist. Diese Vorgaben lösen bei vielen Praktikern in den Jugend- und Sozialämtern vor Ort Kopfschütteln aus. Nicht nur, dass viele Eltern auch schon im ersten Lebensjahr ihres Kindes einen Krippenplatz brauchen: „In München gehen wir davon aus, dass rund 70 Prozent der Eltern für ihre Kinder eine Betreuung benötigen“, sagt die Sprecherin im Schulreferat, Eva Maria Volland.

Trotz des enormen Bedarfs: Sowohl in der Staatsregierung als auch in den großen Städten sieht man sich auf einem guten Weg. In ganz Bayern gibt es nach Angaben des Sozialministeriums mittlerweile fast 93 000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, das sind vier Mal so viele wie noch vor sechs Jahren. Bis zum nächsten Jahr soll ein Versorgungsgrad von über 50 Prozent für die Ein- und Zweijährigen erreicht sein.

Beispiel Nürnberg: Hier sollen nach Auskunft des Jugendamtes allein in diesem Jahr rund 1600 neue Krippenplätze entstehen. Die Versorgungsquote soll damit von heute 22 auf immerhin 35 Prozent ansteigen.

Und auch in München sind die Verantwortlichen zuversichtlich: „Diese Fälle von verzweifelten Eltern, die keinen Platz für ihr Kind finden, werden deutlich zurückgehen“, verspricht Schulamtssprecherin Volland. Bis Ende 2013 sollen noch einmal 4000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige in Krippen und bei Tageseltern entstehen, fast 20 000 werden es dann insgesamt sein. Das ehrgeizige Ziel: Im Laufe des kommenden Jahres soll der Versorgungsgrad tatsächlich die benötigten 70 Prozent betragen. Volland jedenfalls blickt entspannt auf den 1. August 2013. „Wir rechnen in München nicht mit einer Klagewelle.“