Nürnberg
Kreuzworträtsel lösen verboten

91-Jährige beschriftet Kunstwerk in Nürnberger Museum und handelt sich eine Strafanzeige ein

14.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:33 Uhr

Nürnberg (DK) Eine 91 Jahre alte Frau hat in Nürnberg ein im dortigen Neuen Museum ausgestelltes Kreuzworträtsel-Kunstwerk ausgefüllt. Obwohl der Schaden nach Angaben einer Museumssprecherin gering ist, wurde die Seniorin von der Polizei abgeführt.

Nein, das hat nicht zur Ausstellung gehört. Und mit Aktionskunst hatte es auch nicht wirklich viel zu tun. Eine fränkische Seniorengruppe wandelt am Mittwoch durch die Sammlung für zeitgenössische Kunst am Klarissenplatz. An jeder Ecke wird mit Zeichen gespielt. Wahrnehmung und Verstand fahren Achterbahn. "Was ist Kunst", sollen sich die Besucher offenbar fragen. Irgendwann erreicht die Gruppe einen Raum, den das Haus den Arbeiten der Avantgardekünstler der "Fluxus-Bewegung" gewidmet hat. Allein die schöpferische Idee war den Fluxus-Leuten etwas wert.

Zu ihnen zählte auch der Deutsche Arthur Köpcke, der 1965 eine Collage mit dem Titel "Reading-Work-Piece" schuf. Auf diesem Wimmelbild platzierte er unter anderem ein Kreuzworträtsel. Ein paar Kästchen füllte Köpcke mit Buchstaben aus. Dann hatte scheinbar er keine Lust mehr. Obendrüber schrieb er noch drei, die wie sich heute zeigt, fatale Wörter: Insert your word ("Fügen Sie Ihr Wort ein").

Ein halbes Jahrhundert später steht die besagte Seniorin vor dem Werk und zückt ihren Kugelschreiber. Sie macht sich daran, das Werk des Künstlers zu vervollständigen. Die umstehenden Damen nehmen daran keinen Anstoß. Eine Museumswärterin dagegen traut ihren Augen nicht, als sie die Rätselfreundin mit dem Stift in der Hand vor der Collage sieht. Sie schreitet ein und macht die Dame darauf aufmerksam, dass man Bilder in Museen weder berühren noch bemalen darf.

Spätestens als die Polizei eintrifft, werden alle aus der siebenköpfigen Gruppe mit der harten Realität konfrontiert. Die Collage hat einen Versicherungswert von 80 000 Euro. Die Kreuzwortfreundin erkennt ihren Fehler. Restauratoren eilen herbei, um den Schaden zu begutachten. Die Ordnungshüter bitten die Dame zur Vernehmung.

Dann macht sich helle Aufregung in den heiligen Hallen der Kunst breit. Die Damen aus der Gruppe echauffieren sich darüber, dass das Museum es versäumt habe, Warntafeln nach dem Motto "Kreuzworträtsel sind auch Kunst - bitte nicht ausfüllen!" vor das Werk angebracht zu haben. Andere kritisieren wohl, dass die 91-Jährige wie eine Verbrecherin von der Polizei abgeführt worden sei.

Der Rest der Geschichte in Kurzform: Die 91-Jährige befindet sich trotz Anzeige auf freiem Fuß. Museumssprecherin Eva Martin versicherte gestern, dass der Schaden glücklicherweise gering sei. Das Museumstelefon klingelt trotzdem pausenlos. Eva Martin wiederholt immer wieder: "Das war von der Dame sicher keine böse Absicht." Lediglich aus Versicherungsgründen habe man den Schaden der Polizei melden müssen.

Motto: Ende gut, alles gut? Stimmt leider nicht ganz. Schließlich ist im Wirbel um das Kreuzworträtsel die Eröffnung der Sonderausstellung "Chroma" mit 30 meist großformatigen Werken des Malers Gotthard Graubner beinahe untergegangen. Die Geschichte um die 91-jährige Kreuzworträtselfreundin dürfte aber einen noch größeren Werbeeffekt für das Museum haben.