Kommt doch noch einmal Bewegung in den Fall Rupp?

14.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:09 Uhr

Hermine Rupp (links) erlitt gestern im Landshuter Gerichtsaal einen Schwächeanfall und musste von einem Arzt versorgt werden. Das Bild zeigt sie neben ihrer ältesten Tochter und Matthias E. - Foto: Peterhans

Landshut (DK) Großes Erstaunen löste gestern im Wiederaufnahmeverfahren um den Tod des Neuburger Landwirts Rudolf Rupp am Landshuter Landgericht die Aussage einer Zeugin aus.

 

Die Familie Rupp habe sie – vermutlich in der Nacht des Verschwindens des Bauern im Jahr 2001 – auf ihrem Handy angerufen und darum gebeten, dass man sie doch mit dem Auto abholen möge. "Mein Gefühl sagt mir, dass es in dieser Nacht war", so die junge Frau. Bei der Zeugin handelte es sich um eine der Töchter der damaligen Mieterin der Familie Rupp. Sie hatten im Stockwerk über den Rupps gewohnt.

Brisant wird diese Aussage vor dem Hintergrund der Ermittlungen im Jahr 2004: Die inzwischen verstorbene Mieterin hatte in einer später widerrufenen Aussage damals Folgendes geschildert: Sie habe in der bewussten Nacht im Treppenhaus einen Streit gehört, der später eskaliert sei. Schließlich habe es ein "klatschendes Geräusch" gegeben, danach sei nur noch "Gewusel" zu hören gewesen. In den frühen Morgenstunden habe dann Hermine Rupp, die Witwe des Toten, auf dem Handy ihrer Tochter angerufen und darum gebeten, dass man sie doch vom Irgertsheimer Weiher abhole. Dort habe dann tatsächlich die Landwirtsfrau mit einer ihrer Töchter und Matthias E. gewartet. Der Irgertsheimer Weiher befindet sich nur einige hundert Meter vom späteren tatsächlichen Fundort von Rupps Auto mitsamt seiner Leiche in der Bergheimer Donaustaustufe entfernt.

Die Tochter der Mieterin gab gestern außerdem an, in ihren Vernehmungen von den Beamten unter Druck gesetzt worden zu sein, und zwar mit folgenden Worten: "Wenn ich nicht die Wahrheit sage, dass ich den Anruf bekommen habe, komme ich in Verdunklungshaft und meine Mutter ins Gefängnis", so die Zeugin. Trotz dieser Drohung hatte sie aber 2004 bestritten, den Anruf bekommen zu haben. Der Vorsitzende Richter Theo Ziegler zeigte sich verwundert: "Dann haben sie ja damals sogar wahrheitswidrig ,Nein‘ gesagt." Sie habe ihre Mutter so schützen wollen, rechtfertigte sich die Zeugin.

Wer genau sie angerufen habe, konnte oder wollte die Frau nicht sagen – vermutlich sei es aber eine der Töchter gewesen. Auch von wo die Rupps abgeholt werden sollten, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Richter Ziegler ermahnte die Zeugin: "Sie müssen gewissenhaft aussagen. Das ist eine der entscheidenden Fragen."

Weiter schilderte die Zeugin, dass sie das Handy mit der Anruferin damals nicht an ihre Mutter weitergereicht habe. Sie habe diese gefragt, ob man die Rupps abholen könnte, sie aber habe entgegnet, es sei schon zu spät. Ob die Mutter aber später nicht doch noch losgefahren sei, als sie schon geschlafen habe, konnte sie nicht ausschließen.

Die Anwälte wirkten geschockt. Die Verteidigung sei von dieser Aussage im Mark getroffen, triumphierte Staatsanwalt Ralph Reiter. "Interessant, dass die Verteidigung, die sonst alle Zeugen vereidigen will, hier keinen Antrag stellt." Klaus Wittmann, der Anwalt von Hermine Rupp, konterte, die Aussage der Zeugin sei "sehr unlogisch". Er könne sich das nur so erklären, dass es wohl irgendwann mal so einen Anruf gegeben habe und die Zeugin dies in die damalige Situation projiziere. Seine Mandantin Hermine Rupp erlitt am Nachmittag dann einen Schwächeanfall und musste kurzzeitig vom Landgerichtsarzt betreut werden.

Nach der brisanten Aussage ging die Verkündung der Untersuchungsergebnisse des Rupp-Mercedes’ beinahe unter. Nachdem das Auto von der Ingolstädter Kripo offenbar nur oberflächlich begutachtet worden war, hatte das Gericht eine neue Untersuchung durch Landshuter Beamte angeordnet. Und die gingen offensichtlich gründlicher zu Werke.

So fanden sich im Schlamm im Inneren des Wagens noch zahlreiche Fingerknochen. Diese gehören wohl zum Opfer. Untersucht worden war dies aber nicht mehr – das sei schlichtweg zu aufwendig. Außerdem stießen die Beamten auf die Sterbeurkunde der Mutter Rudolf Rupps und ein nicht mehr zu entzifferndes Dokument vom Finanzamt. Diese beiden Gegenstände stützten laut Verteidigerin Regina Rick die "Selbstmordthese". Denn warum hätte der Bauer sonst diese Papiere mit sich führen sollen, fragte sie. Das Ergebnis der neuen Begutachtung sei "eine Ohrfeige für die Ingolstädter Spurensicherung".

Der Prozess soll morgen in Landshut fortgesetzt werden.