Schrobenhausen
Kolumne: Helmut Zöpfl und die politische Qualifikation

Der bekannte Schriftsteller schreibt exklusiv für unsere Zeitung

15.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:21 Uhr
Der bekannte Schriftsteller Helmut Zöpfl schreibt exklusiv für unsere Zeitung, −Foto: SZ

Haben Sie sich auch schon manchmal gefragt, was unsere Politiker eigentlich berechtigt, innerhalb kürzester Zeit die Verantwortung für ein wichtiges Ressort zu übernehmen oder wie man bei einer Regierungsbildung vom Innen- zum Außenminister, vom Verteidigungs- zum Landwirtschaftsminister und so weiter und umgekehrt werden kann? Man könnte diese Frage für eine Frage nach der Qualifikation halten.

Einen wertvollen Fingerzeig gab mir neulich das Interview einer Ministerin für Wissenschaft und Kunst, einer, wie man hört, durchaus anerkannten Wissenschaftlerin, allerdings nicht im kulturellen Bereich. Auf die Frage des Reporters, wodurch sie sich besonders auch für die so diffizile Aufgabe der Kunst berufen fühle, antwortete sie selbstbewusst: "Ich gehe immer wieder gern in Opern". Aha. Immerhin besser als wenn sie gesagt hätte: "Ich esse gerne Kunsthonig". Oder - welch ein Kalauer - "Ich habe eine künstliche Hüfte".

Eine schöne Vorlage allemal für ihre Kolleginnen und Kollegen. Zum Beispiel könnte der oder die Umweltminister(in) folgende Qualifikation benennen: "Ich gehe gerne im Freien spazieren". Dagegen könnte der/die Innenminister(in) entgegnen: "Ich bleibe lieber drinnen". Der/die Gesundheitsminister(in) gibt als Begründung an: "Ich mache am liebsten Wellnessurlaub". Der/die Arbeitsminister(in) antwortet mit dem schönen Spruch: "Ich könnte anderen Leuten stundenlang beim Arbeiten zuschauen", und der/die Wirtschaftsminister(in) bekennt schlicht und einfach: "Ich esse in der Wirtschaft am liebsten Schweinsbraten".

Selbige neue Kunstministerin hatte übrigens auch die Grundqualifikation für bestimmte Hochschulstudien wieder aller Vernunft den Numerus Clausus mit der Durchschnittsnote Eins für den Mediziner oder auch den Grundschullehrer als wichtigste Voraussetzung betont. Wenn man nun weiß, was einen guten Arzt oder eine gute Ärztin auszeichnet, und, was eine Note Eins besagen kann, die immer mehr, wie Fachleute sagen, inflationiert wird, der weiß, was heutzutage als wissenschaftlich gesicherte Grundlage für Qualifikation eines späteren Berufes gilt.

Auch in der Hochbegabungsforschung werden ja inzwischen "sichere Indikatoren" für "Spitzenbegabungen" ermittelt. In der Regel bedient man sich da des sog. IQ, den man inzwischen auf ein paar Tausendstel nach dem Komma messen zu können glaubt. Dass diese Mess-Ingenieure aber gar nicht sagen können, was das I, also die Intelligenz, eigentlich genau ist, fällt den wenigsten auf.

Allenfalls vertraut man auf die geistreiche Definition der Psychologie: "Intelligenz ist das, was man mit dem Intelligenztest messen kann." Das ist so, als würde man feststellen: "Wasser ist das, was man mit der Wasserwaage wiegen kann" und Eier sind das, was die Eieruhr anzeigt. Da lobe ich mir die Aussage meines Vaters, eines gelernten Handwerkers, der mich einige Zeit beobachtete, wie ich als Drittklässler ein Bild mit einem Nagel befestigen wollte, und zu meiner Mutter sagte: "Ich glaube, den Helmut müssen wir studieren lassen. Der hat zwei linke Hände."

Aber vielleicht zeigt sich ja die Berufseignung wirklich schon früh. Ein Kind, das gerne in der Nase bohrt, könnte darin ja seine Begabung für seinen späteren Beruf eines Höhlenforschers und Archäologen bekunden. Immerhin zeigt sich bei entsprechendem Ergebnis ja eine gewisse Fingerfertigkeit, und die über lange Zeit gerade von Pestalozzi vertretene Dreiheit Kopf-Herz-Hand hat sich im digitalen Zeitalter ja längst auf das Omnipotenzglauben an den Zeigefinger reduziert.

Warum auch noch die anderen Körperteile und Sinne beanspruchen, wenn doch der Druck des Fingers auf den Google-Knopf die Fragen auf alle Antworten liefert, oder? Vielleicht könnte man das geheime Bildungsziel fast aller Parteien gleich so benennen: "Knopf statt Kopf".

Dennoch sei, wenn uns gerade die Quantenphysik lehrt, dass es auch Grenzen der wissenschaftlichen Voraussage gibt, ein Zweifel an der totalen Messbarkeit der Qualifikation für manches Amt von meiner Seite gestattet.

Der bekannte Schriftsteller Helmut Zöpfl schreibt zurzeit eine exklusive Kolumne für unsere Zeitung.