"Klischees tun Bayern gut"

20.04.2010 | Stand 03.12.2020, 4:05 Uhr

Nachwuchs beim Schuhplatteln: Der Donaugau-Trachtenverband ist auch in der Jugendarbeit aktiv, hier bei einer Veranstaltung in Schernfeld bei Eichstätt. - Foto: Rixner

Ingolstadt/Pörnbach (DK) Johannes Felbermeir, 23 Jahre, wirft sich in Schale. "Ich möchte gut angezogen sein", sagt der Pörnbacher. Gut angezogen heißt für ihn: Joppe mit Silberknöpfen, Taschenuhr, ockerfarbene Krawatte, Faltenstiefelhose – und nicht zu vergessen Frack und Hut. Nicht unbedingt die Standardkluft eines Elektrotechnikstudenten.

Aber wenn Felbermeir sich schick macht, will er gar nicht als Student der Technischen Universität München erkannt werden, sondern als Trachtler. Als einer, der seinen Verein repräsentiert. Seine Heimat. Der weiß, wo seine Wurzeln liegen: In Raithof bei Pörnbach nämlich, einem beschaulichen Ort zwischen Ingolstadt und Pfaffenhofen.

 
Mehr als ein Hobby

Das Trachteln verlangt ihm viel Zeit ab, eineinhalb Tage pro Woche steckt der Student in Vereinsarbeit und Proben, er ist Vortänzer beim Schuhplatteln. Aber das Trachtlerdasein geht über ein Hobby hinaus, es ist eine Lebenseinstellung. "Er ist mit der Sache aufgewachsen", sagt Anna Felbermeir, seine Mutter, die sich genauso engagiert wie sein Vater und seine Schwester.

In letzter Zeit hatte Johannes Felbermeir besonders viel zu tun: Die Dachorganisation seines Pfaffenhofener Vereins, der Donaugau-Trachtenverband mit Sitz in Ingolstadt, feiert demnächst sein 85-jähriges Bestehen. Felbermeir hat an der gut 400 Seiten dicken Jubiläumschronik mitgearbeitet. Die Chronik stellt die 32 Mitgliedsvereine vor. "Und die Klöster im Gaugebiet. Wir sind ja auch im kirchlichen Brauchtum verwurzelt", ergänzt Anna Felbermeir. Auf die Zeit des Nationalsozialismus gehe die Chronik kaum ein. Die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit scheiterte bislang an fehlenden Dokumenten. "Was in der NS-Zeit wirklich war, wissen wir nicht", gibt Dietz zu, der mit seinen 48 Jahren selbst zur Nachkriegsgeneration gehört. Alle Gauprotokolle aus der Zeit des Dritten Reichs seien verschwunden.

Bei den Trachtlern seien auch Zugezogene willkommen, sagt Rudi Dietz aus Oberstimm, Vorsitzender beim Donaugau-Trachtenverband. "Wir hatten mal ein schwarzes Mädchen im Verein", pflichtet ihm Anna Felbermeir bei. Die hätte sich bei ihnen pudelwohl gefühlt. Und Ostdeutsche, keine Querdenker, sondern Leute, die sich anpassen, sagt Anna Felbermeir.

Modische Zugeständnisse

Bei aller Liebe zu Althergebrachtem müssen auch die Trachtler mit der Zeit gehen – zumindest ein Stück weit. "Früher hatte zum Beispiel das Ausgehen feste Regeln. Heute machen wir mehr Kompromisse. Ich selbst bin auch lockerer geworden", sagt Dietz mit Blick auf Johannes Felbermeirs Generation. Er gibt auch mal nach, wenn sich die eigene Tochter eines dieser kurz geschnittenen "Modedirndl" für den Barthelmarkt in Oberstimm wünscht. Johannes Felbermeir hat zwar gegen diese kurzen Dirndl von der Stange nichts einzuwenden, legt persönlich aber Wert auf Qualität. "Wenn ich mir eine Lederhose kaufe, muss sie 30 Jahre halten." Seine Volkstracht hat die Mutter geschneidert. Dass die meisten Trachten auf das 19. Jahrhundert zurückgehen, also von jahrhundertealter Tradition keine Rede sein kann, stört die drei nicht. Sie sprechen trotzdem von "echtem und althergebrachtem Brauchtum".

Auch dass die Vereine mancherorts neue Trachten entwerfen, weil es an Mustern und Vorlagen fehlt, bringt ihren Glauben an die eigene Authentizität nicht ins Wanken. "Es hat ja immer schon Moden gegeben", sagt Anna Felbermeir. Mit dem früher üblichen Kopftuch zum Beispiel könnten sich heute die wenigsten jungen Frauen im Verein anfreunden.

Für Student Felbermeir gehören Trachtler und Bayern einfach zusammen. Den Vorwurf, Klischees zu bedienen, lässt er sich gern gefallen. "Klischees tun Bayern gut." Wenn er nach Schottland reise, wolle er ja auch einen waschechten Einheimischen im Schottenrock antreffen.