München
Kleine Ungeheuer mit großen Macken

Christian Moser hat die "Monster des Alltags" erfunden – Am Dienstag gastiert er mit einem Weihnachtskabarett in Ingolstadt

07.12.2012 | Stand 03.12.2020, 0:44 Uhr

Im Weihnachtstrubel: Christian Moser und das Monster des Kaufrauschs - Foto: Carlsen/oh

München (DK) Da sitzt es: grün und borstig, mit vorwurfsvollem Blick, leidgeprüft, immer im Dienst – das schlechte Gewissen. Es ist etwa einen halben Meter groß, fläzt sich im Holzstuhl am Fenster, den Schreibtisch stets im Visier. Es ist ein Monster des Alltags – und mahnt seinen Schöpfer zur täglichen Kreativ-Schufterei. „Schon als Kind fand ich groteske Sachen schöner als Rehlein oder Häslein. Ich hatte schon immer ein Faible für Monster – aber ich wusste nie so recht, wohin damit“, erklärt Christian Moser (46).

Mittlerweile hat der Autor, Illustrator und Comiczeichner („Tempo“, „Prinz“, „Süddeutsche Zeitung“) diese Neigung zum Beruf und sich als Monsterforscher einen Namen gemacht. Das erste Monster war – wie kann es anders sein – der Tatendrang. Rund 200 Monster des Alltags hat Christian Moser mit Co-Autorin Carolin Sonner erfunden („Das passiert in so einer Art Zwei-Personen-Gruppentherapie“). Sie wurden in drei Büchern katalogisiert und analysiert, glotzen von Tassen, schmiegen sich in T-Shirts und verschicken als Postkarten Romantik oder Chaos in alle Welt. Die Monster sind kleine, rastlose Wesen mit großen Augen, großen Mündern, gedrungenen Körpern von knubbeliger Art, kurzen Beinen, die manchmal in Sockenfüßen enden, zuletzt aber vermehrt in Vierzehern, und mit vierfingrig-emsigen Händen. Ihre Körperfarbe umfasst das ganze Spektrum der Grün-Braun-Töne – mit Ausreißern ins Blaue oder Rote. Im Großen und Ganzen ähneln sie Echsenarten oder Kartoffelgewächsen. Und wirken doch sehr menschlich. Müssen sie auch. Handelt es sich bei den Monstern des Alltags doch um „psychische Parasiten, die unser Denken, Fühlen und Handeln auf höchst eigennützige Weise beeinflussen und uns zu den fragwürdigsten Verhaltensweisen verleiten“, weiß die einschlägige Fachliteratur.

Zuletzt hat Christian Moser die „Monster der Weihnacht“ studiert: Warum macht sich der Weihnachtsstress so wichtig? Wieso muss immer der letzte Drücker die Geschenke besorgen? Und wo bleibt eigentlich die Besinnlichkeit? Am Dienstag, 11. Dezember, gastiert er mit seinen Monstern in der Neuen Welt in Ingolstadt – zu einem „mehr oder weniger besinnlichen Kabarettabend“.

Doch zuvor erlaubte uns Christian Moser einen Blick in seine Werkstatt in der Münchner Entenbachstraße, die sich bis auf wenige Dekorationsstücke – die erwähnte Das-schlechte-Gewissen-Puppe, ein Papptheater für den großen Auftritt der Wichtigtuerei – als monsterfreie Zone und vor allem penibel aufgeräumt erweist. „Bei der Arbeit entsteht Chaos“, erklärt Christian Moser. „Aber ich muss immer wieder Ordnung schaffen, sonst zieht das Chaos zu viel Energie ab.“ Im Wohn- und Arbeitszimmer stehen zwei Schreibtische, an einer Pinnwand mit vielen kleinen Zeichnungen kann man den Entstehungsprozess eines neuen Buches ablesen: „Kleine Ungeheuer“. Eine zweite Pinnwand über dem Esstisch in der Küche ist dagegen noch leer – bis auf eine einzige Zeile: „Ich bin nicht schuld“. Auch hier werden sich bald Zettelchen, Comics, Gedichte, Monster ansammeln. Denn hier entsteht das neue Bühnenprogramm von Christian Moser, das im Frühjahr 2013 Premiere haben soll.

Christian Moser stammt aus einer Münchner Künstlerfamilie. Der Vater war Maler und Bildhauer, die Mutter ist ausgebildete Opernsängerin und hat über 20 Jahre eine Firma geleitet, die Weihnachtsengel und Christbaumschmuck in Handarbeit herstellte. „Das prägt, wenn man in einem Haushalt aufwächst, in dem das ganze Jahr über Weihnachten ist“, sagt Christian Moser.

Schon früh – etwa im Alter von zwölf Jahren – keimte der Berufswunsch Comiczeichner in ihm, und bis auf zwei kurze Unterbrechungen verfolgte er dieses Ziel hartnäckig. „Mit 17, 18 wollte ich Rockstar werden“, sagt Christian Moser. Der Frauen oder der Musik wegen? „Wegen beidem“, kommt die Antwort. Um die Abi-Zeit träumte er davon, Filmemacher zu werden. Es gab da auch zwei ambitionierte Projekte, die jedoch beide aus grandiosem Unvermögen scheiterten. Nach kurzen Germanistik-Studien („aus Ratlosigkeit“) wurde er eben doch Comiczeichner, machte eine Illustratorenausbildung und schuf zunächst Bühnenbilder für Kinderspielshows im Bayerischen Fernsehen („Ping Pong“, „Flip Flop“, „Cool oder Crash“).

„Aber irgendwann wurde es mir langweilig, nur für Geld zu arbeiten.“ Er gründete mit anderen ein Comicmagazin. „Am spannendsten ist es, wenn ich etwas machen kann, von dem ich noch nicht weiß, ob ich es kann“, sagt Christian Moser. Er sagt es sehr ernsthaft. Wie er im Gespräch überhaupt sehr ernsthaft ist. Auch wenn viel gelacht wird. Christian Moser verfügt über einen sehr trockenen Humor. In Verbindung mit seiner gewählten Sprache, dem moderaten Sprechtempo, einer wohlklingenden Stimme und dem exzellenten Timing für Pointen ergibt das eine anregende Unterhaltung.

Wenn es sich einrichten lässt und das Wetter passt, beginnt er den Tag mit Radln. Danach setzt er sich in ein Café – „da kommen dann 1000 Ideen“, die er zu Hause umsetzt. Das ist ein guter Tag. An einem schlechten Tag quält er sich den ganzen Tag herum. Vielleicht zündet es erst am späten Nachmittag und die Arbeit dauert dann bis in den Abend hinein. „Ich bin total diszipliniert, aber das Problem ist, dass ich mit jedem Lebensjahr perfektionistischer werde.“ Gearbeitet wird immer, meist an mehreren Projekten gleichzeitig. Ob das ein neues Buch ist, ein Illustrationsauftrag oder sein Bühnenprogramm – „ich versuche immer, an allem mit der gleichen Liebe zu arbeiten“. Ums Geldverdienen ging es Christian Moser nie. Zumindest nicht darum, reich zu werden. „Ich sehe es als eine Art kosmisches Gerechtigkeitssubventionsmodell“ – ob der Job nun 3,50 Euro die Stunde bringt oder 2000 Euro. „Der Gott des Geldes möchte, dass ich Zeit habe, meine eigene Kunst zu machen.“

Kunst wie die „Kleinen Köpfe“, die Christian Moser hin und wieder in Ausstellungen zeigt. Dabei handelt es sich um fiktive Porträts, stilistisch changierend zwischen Karikatur und detailverliebter Charakterstudie. Wo es um die Liebe am Strich geht oder auch einfach darum, aus dem Alltag Erhaschtes aufs Papier zu bringen. „Ich bin ein leidenschaftlicher Beobachter“, gesteht er. Im Café oder in der U-Bahn belauscht er mit Vorliebe die Passanten. „Ich mache das sehr unauffällig. Ich kann mich unsichtbar machen“, sagt er und fügt nach einer kleinen Pause an: „Das geht leider so weit, dass mich auch die Kellner vergessen.“

Heimliche Leidenschaften? Christian Moser zögert. „Segelschiffe – ich wäre gern Pirat.“ Wen wundert es da, dass er nebenbei auch an einem Kinderroman über Piraten schreibt. „Eine Trilogie – oder etwas sehr Dickes“ soll es werden. „Basierend auf dem sehr fundierten Wissen über Piraterie, das ich im Laufe meines Lebens angehäuft habe.“

Aber jetzt muss er erst mal fürs Weihnachtsprogramm üben. Da singt er schließlich auch selbst geschriebene Lieder. Natürlich geht es um die Monster, aber drum herum gibt es gedichtete Comics, skurrile Begebenheiten und „Engels-gschäft-Anekdoten“ aus der Kindheit. Denn eigentlich ist Weihnachten für Christian Moser ein Graus: „Wenn man derart mit Weihnachten aufwächst wie ich, reicht das für zehn Leben.“

Christian Moser gastiert mit den „Monstern der Weihnacht“ am 11. Dezember um 20.30 Uhr in der Neuen Welt in Ingolstadt.