Beilngries
Klein, aber oho

17.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

Vorgeschmack auf das Hauptkonzert: Die Notenkramer gaben am Samstagmittag in der Gams schon Kostproben. - Fotos: Adam (4)/Fehr (4)

Beilngries (DK) Mundharmonikaspieler sind gut gelaunte und kommunikative Menschen. Wenn sie einmal gerade nicht ihr Instrument an den Lippen haben, plaudern sie munter und erzählen von der Faszination des kleinen Instruments. Und davon, dass sie auch gegen das "vielfach verbreitete schlechte Image" der Mundharmonika anspielen und mehr Menschen dafür begeistern wollen.

Und sie sind spontan. In Beilngries war man am Wochenende nie ganz sicher, dass nicht irgendjemand in seine Hosentasche greift, seine Mundharmonika herauszieht und loslegt: Volkslieder und Jazzmelodien, kleine musikalische Raritäten oder bekannte Weisen. Bei den Workshops und Schnupperkursen sowie beim Flohmarkt, in den Pausen der prominent besetzten Konzerte oder aber im Spielzeugmuseum zur improvisierten Untermalung der Ausstellung, die anschaulich die Geschichte der Mundharmonika durch die Jahrzehnte beschreibt.
 
"Das Tolle an der Mundharmonika ist, dass man sie überall hin mitnehmen kann, dass man spielen kann, was man gerade im Kopf hat. Und dass sie zu jeder Stimmung passt", sagte Torsten Simmann aus Kipfenberg, der zu denjenigen gehört, die wohl den kürzesten Anreiseweg hatten. Zum Altmühltaler Mundharmonikafestival waren Gäste "von der Ostsee bis ins Alpenvorland" gekommen, wie Georg Fanderl bei der offiziellen Begrüßung am Freitagabend im Haus des Gastes sagte.

Zum 11. Mal gab es das groß angelegte Treffen in Beilngries, das seit 2000 von Georg Fanderl organisiert und seit 2002 von der Stadt veranstaltet wird. Ein bayernweit einzigartiges Festival, eine Möglichkeit für alle Interessierte, das Mundharmonikaspiel einmal konzentriert und vielseitig zu erleben – und gleichermaßen eine Art Familientreffen der musikalischen Art. Viele der Gäste sind treue Besucher in der Stadt, wenn diese unter dem Motto Mundharmonika steht. "Weil es Spaß macht, gemeinsam zu musizieren", sagte Alwin Wörz aus Augsburg, der bereits zum neunten Mal dabei ist und am Samstagabend vom Auftritt der holländischen Gruppe Fata Morgana im Haus des Gastes begeistert war. "Die haben Sound", schwärmte er über den Swing, Stücke von Edith Piaf und über Händels Wassermusik.

Auch Dieter Braun war voll des Lobes. "Ein Musterbeispiel ist das hier", sagte der 75-Jährige aus Lauda im Taubertal, der wie viele andere mit einem Koffer voller Instrumente angereist ist. "Das ist vorbildlich, was die Stadt leistet und was die Organisatoren auf die Beine stellen." Er gehörte mit seiner Frau zu den "Wiederholungstätern", genoss das Miteinander, den Erfahrungsaustausch. Oder das Spielertreffen am Samstagnachmittag, als nach Lust und – langer – Liste aufgespielt wurde.

Geruhsame Melodien, schwungvolle Jazzklänge, kraftvolle Töne und virtuose Kompositionen aus sämtlichen Stilrichtungen waren zu hören. In unterschiedlichen Formationen. Mit Gitarre oder Kontrabass. Und alleine, auch wenn es nach zwei Spielern klang. Staunend lauschten da diejenigen, die als Kinder nur auf einer Plastikmundharmonika herumgequietscht haben. "Das kann jeder lernen", tröstete Vera Pickl aus Ilbling aus eigener Erfahrung. Sie selbst spielt erst seit sieben Jahren – und gehört damit zu einer Minderheit in der Szene. Frauen sind nicht nur in Beilngries kaum vertreten.

Warum das so ist? Conny Marwisski meinte, dass man die Mundharmonika wohl meistens mit Blues verbindet. "Und Blues ist eben eine Männerdomäne." Die 42-Jährige aus Erfurt spielt, seit sie 16 Jahre alt ist und musiziert vor allem mit ihrem Mann Olaf. Die beiden Töchter spielen ebenfalls. "Wir sind eine Mundharmonikafamilie." In der DDR, erzählte sie, sei das Mundharmonikaspiel – abgesehen vom Erzgebirge – wenig verbreitet gewesen. Nicht aus mangelndem Interesse, sondern wegen fehlender Instrumente. "Die hochwertigen Stücke wurden zwar in Klingenthal produziert, waren aber nicht für uns, sondern für den Westen bestimmt." Wegen der Devisen. Um so mehr würde sie sich jetzt über "viele und noch mehr Mundharmonikaspieler" freuen. So wie Dieter Braun, der von seiner Frau Rita "Tausendsassa" und von manchen "Missionar" bezeichnet wird. Er wünscht sich, dass auch in Schulen oder in der musikalischen Früherziehung das kleine Instrument eine größere Rolle spielt. Das bleibe einem ein Leben lang. "Denn als Großvater greift man doch eher zur Mundharmonika als zur Flöte."