Gerolsbach
Kettensäge und Pigmentfarben

SZ TRIFFT die Künstlerin Andrea Koch aus Gerolsbach, die zurzeit in der Redaktion ausstellt, daheim

25.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:09 Uhr

Großformat: Andrea Koch braucht Platz auf der Leinwand, um den richtigen Ausdruck zu finden. Die Künstlerin aus Gerolsbach arbeitet mit dem ganzen Körper, malt aus dem Bauch heraus - Foto: Schmied

Gerolsbach (SZ) Eine Drecksarbeit ist das. Efeu, Humus, verfaulte Stämme. Verlassene Vogelnester. Abgefallene Äste, die keiner haben will. Eine Frau mit Kettensäge, die sich nicht zu schade ist, im Waldboden nach Schätzen zu wühlen. Sie sucht Holzstücke, die nicht gerade, nicht schön sind. Hohl und angefressen. Das gibt die beste Kunst. Wer Andrea Koch mit Schutzbekleidung und Bulldogketten im Wald begegnet, möchte nicht vermuten, wie filigran die Skulpturen sind, die aus verdreckten Baumresten entstehen.

Alleine ist die Künstlerin nie im Wald unterwegs. „Das wäre zu gefährlich“, sagt Koch. Angst vor ihrem Arbeitsgerät, der Kettensäge, hat sie nicht. Respekt, das trifft es. Ist der Ast, der Stamm, das Stück Krone dann im Atelier, passiert – nichts. „Ich hole dann erst mal Skizzenblock und Graphitstift, setze mich vors Holz, betrachte es von allen Seiten“, erklärt Koch. So lange, bis sie den richtigen Zugang gefunden hat. Und dann geht es ab. Koch lacht, als sie das sagt. Die Augen blitzen. „Große und gerade Schnitte mache ich, ausschließlich mit der großen oder der kleinen Kettensäge“, sagt die 53-Jährige. Und wenn einmal zu viel zu Boden fällt, ist das eben so.

Kunst mit dem ganzen Körper. Aus Holz, auf Leinwand, mit Papier, Glas, Wachs. Manchmal reicht der Arm nicht aus, um den perfekten Pinselstrich auszuführen. Koch benutzt große Pinsel, vollführt den Farbauftrag aus dem Bauch, aus der Schulter heraus, lässt ihren Untergrund stets transparent. „Das hat sich nie geändert, das ist mein Stil“, sagt die Künstlerin und fügt im gleichen Atemzug hinzu: „Ich muss das machen. Das kommt aus meinem Innersten.“ Kein Hobby, eine Berufung. Schon immer.

Andrea Koch wurde 1962 in Essen geboren, ist als Kind neun Mal umgezogen. Hat in Essen Abitur gemacht und Lehramt für Kunst studiert. Das erste Staatsexamen bestand sie in Ludwigsburg, wurde in Baden-Württemberg verbeamtet. Kam vor 23 Jahren nach Bayern, mit ihrem Mann, der hier beruflich Fuß fasste. Die Kunst hat sie immer begleitet. „Die Bildermappen aus Kindergarten und Schule habe ich noch. Alle“, erzählt Koch. Die kreative Ader zieht sich durch die Familie. Vater und Mutter musisch talentiert. Die Schwester Fotokünstlerin. Der Sohn Regisseur.

An der Grundschule in Gerolsbach malt sie mit den Kindern. In ihrem Atelier malt sie mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Wenn sie alleine malt, schauen die Kindergartenkinder manchmal zu, wenn sie Pause haben. „Seit drei Jahren haben wir das Atelier hier mitten auf dem Gelände der Villa Kunterbunt“, erklärt Koch. Super sei das, die Fensterfront schaut Richtung Norden. „Es gibt kein besseres Licht zum Arbeiten.“

Es gibt kein Stück Holz, das sie nach der Kettensäge nicht mit dem Bunsenbrenner bearbeitet hätte. Manchmal, solange die Skulptur noch heiß ist, trägt sie Kalk auf und bearbeitet das Objekt mit einer Messingbürste. Manchmal, wenn das Kunststück es verlangt, bemalt sie es mit Farben, sanft oder knallig. Die Farben rührt sie selbst an, aus Naturpigmenten, mit Acrylbinder. Asche, Kaffee. Alles, was man mahlen kann. Ihre Lieblingsfarbe ist ein sattes Currygelb. Im Moment prägen die Bilder ein klares Türkis.

Andrea Koch malt nie nur ein Bild, sondern immer Serien. „Fertig bin ich erst, wenn das Thema aufgearbeitet ist“, erklärt sie. Diesen Punkt müsse man aber immer erst finden. Koch lacht wieder. Sie gibt viel von sich preis, nicht nur durch die Kunst. Eine Gratwanderung ist das manchmal, meint sie. Aber auch Bewegung, und darum geht es meistens. Im Moment beschäftigt sie sich mit Segelbooten. Aber nicht gegenständlich, das tut sie nie. In abstrakten Strichen will sie das Wasser, den Wind, das Wetter einfangen. Das Spiel der Elemente miteinander. Verletzlichkeit. „Das ist mein Ausdruck, das macht mich als Künstlerin aus.“