Ingolstadt
Keramik für herrschaftliche Ansprüche

26.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr

Mit viel Liebe platzieren Ilse Ernst und Museumschefin Beatrix Schönewald (v. l.) die Prunkhandschrift.

Ingolstadt (DK) Am Sonntag beginnt im Ingolstädter Stadtmuseum die Sonderausstellung "Meisterwerke in Serie". Sie zeigt Glanzlichter der Entwicklung von Handwerk und Kunst im herzoglichen Ingolstadt. Etwa die Rekonstruktion eines Töpferofens, dessen Reste im Jahr 2005 in der Altstadt aufgetaucht sind – samt Originalzubehör.

Da saß er, der Könner, in seinem stattlichen Meisterbetrieb, und ließ die Töpferscheibe kreisen. Um ihn herum dampften drei voluminöse Öfen auf dem neuesten Stand der Technik, angefüllt mit filigranen Werken aus Ton, und vor dem Fenster lag die Baustelle des Ingolstädter Münsters . . .

So könnte es gewesen sein, im ausgehenden 15. Jahrhundert, als ein weitgereister Spezialist dort, wo heute die Gnadenthal-Schulen stehen, Keramik für herrschaftliche Ansprüche produzierte.


Der Archäologe Gerd Riedel schildert die Szene ebenso bildlich wie begeistert, denn das, was das Stadtmuseum präsentieren wird, sucht unter allen übrigen Residenzstädten Bayerns seines Gleichen. 2005 sind die Relikte der Werkstatt samt Zubehör en masse bei Grabungen aufgetaucht. Für Riedel eine kleine Sensation: "Wir können jetzt den gesamten Produktionsprozess einer spätmittelalterlichen Töpferwerkstatt hervorragend darstellen."

Mitsamt einem Ofen. Drei Stück mit einem Fassungsvermögen von jeweils zwei Kubikmetern waren einst in Betrieb. Den Kernbereich der Töpferwerkstatt schätzt Riedel wiederum auf gut 100 Quadratmeter. Vergleichbares kenne man meist nur aus Südeuropa. Dort, vermutlich in Italien, müssen die Ingolstädter Keramikmeister gelernt haben, anders lasse sich ihre Kunstfertigkeit auf höchstem Niveau kaum erklären. "Damals war auch genug Geld da", sagt der Historiker. Die aufwändige Fertigung – vornehmlich Kacheln – florierte just zu der Zeit, da Ingolstadt schon einmal eine Art Boomtown war; ab 1447 zwar von Landshutern, aber doch mit Liebe regiert.

Keramik, die hier in den Töpferöfen reifte, genügte höchst? herrschaftlichem Renommiergehabe, das bestätigt auch Michael Back. Der Restaurator aus dem Freilandmuseum in Bad Windsheim hat einen Ofen für das Stadtmuseum rekonstruiert; das Werk darf als Glanzlicht der Schau gelten. "Der Ofen hat eine ausgefuchste Technik", erklärt er. Back fertigte ein Gerüst aus gesägten Fichtenbrettern, je vier Bögen ergeben ein Wölbteil und drei davon wiederum den Ofen. Außerdem sind 200 Wölbgefäße nötig, die nach einem ausgefeilten System kombiniert werden und so der Konstruktion Halt geben. Geschichte zum Anfassen also. Ab diesem Sonntag im Stadtmuseum.