München
Keine Schutzwesten für Rettungssanitäter

Attacken auf die Helfer nehmen zu, doch das Innenministerium will nicht eingreifen

18.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:17 Uhr

München (DK) Das wird wohl keine Freundschaft mehr zwischen dem bayerischen Innenministerium und dem Roten Kreuz: Nachdem das Haus von Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) den ehrenamtlichen Rettungssanitätern schon die rechtliche Gleichstellung mit den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr bei der Erstattung versagte, berichteten die Ministerialen nun, dass die Ehrenamtler nicht mit Schutzwesten ausgestattet werden sollten.

Im Juli vor zwei Jahren ereignete sich ein besonders dramatischer Fall in Ingolstadt: Ein stark alkoholisierter Schanzer war mit dem Fahrrad gestürzt und hatte selbst den Sanka alarmiert. Doch als die Sanitäter ihn dann im Fahrzeug behandeln wollten, schlug der Mann plötzlich nach ihnen, wurde so aggressiv, dass er in die Psychiatrie eingewiesen werden musste. Leider kein Einzelfall: Mehr als 200 bayerische Rettungssanitäter wurden im vergangenen Jahr laut Polizeistatistik Opfer von Gewalt - Tendenz steigend. Mitunter attackieren die nicht selten unter Alkohol- beziehungsweise Drogeneinfluss stehenden Patienten die BRKler auch nicht nur mit den bloßen Fäusten, sondern mit Messern, Spritzen oder Flaschenscherben.

"Wie werden die Rettungskräfte im Einsatz eigentlich vor Hieb- und Stichverletzungen geschützt", wollte Peter Meyer, Abgeordneter der Freien Wähler und Landtagsvizepräsident, vom Innenministerium wissen. Antwort: Das müssen die Hilfsorganisationen selbst übernehmen. "Die Kosten für solche Anschaffungen werden bei der Verhandlung der Benutzungsentgelte, die Sozialversicherungsträger an die Durchführenden bezahlen und auch zwischen diesen ausgehandelt werden, berücksichtigt", heißt es in der schriftlichen Antwort.

Aber aus Sicht der Beamten des Innenministeriums sollten die Rettungssanitäter sowieso keine Schutzwesten tragen: "Es besteht die Gefahr, dass den Einsatzkräften eine subjektive Sicherheit vorgetäuscht wird, dabei ist es aber nicht die Aufgabe des Rettungsdienstpersonals, sich in direkte Gefahr zu begeben", heißt es in der Antwort an Peter Meyer weiter. Auch schütze eine Weste nicht den ganzen Körper.

Das Ministerium empfiehlt stattdessen, "für Rettungseinsätze in besonderen Einsatzlagen immer die örtliche Polizei über konkrete Gefahren an der Einsatzstelle zu informieren". Außerdem sollten Übergabepunkte für Verletzte vereinbart werden. "So kann sichergestellt werden, dass sich rettungsdienstliches Personal nicht in direkte Gefahr begibt."

In den sozialen Netzwerken schüttelt man über diese Ansichten der Ministerialen nur den Kopf. Ebenso gut könnte man ja den Motorradfahrern den Helm und dem Autofahrer den Gurt versagen, eine angepasste, vorsichtige Fahrweise verhindere ja unter Umständen auch Unfälle, empört sich ein Landarzt aus Oberfranken. "Hier zeigt sich mal wieder sehr klar, wer Ahnung von unserem Job hat. Wenn die Politiker nur wenigstens den Arsch in der Hose hätten, einfach zuzugeben, dass es ihnen zu teuer ist."

Professionelle Schutzwesten kosten zwischen 200 Euro (lediglich gegen Messerstiche und Ähnliches) und 300 Euro (auch gegen Schüsse). Die Frage ist allerdings, ob die Sanitäter diese doch sehr schweren und die Bewegungsfähigkeit einschränkenden Westen auch im Hochsommer wirklich tragen wollen.