Keine Angst vor Konfirmanden

14.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:24 Uhr

München (DK) Nach zwölf Jahren endet am 31. Oktober die Amtszeit des evangelischen Landesbischofs Johannes Friedrich.

Der 63-Jährige wechselt in eine kleine Kirchengemeinde in Franken. Susanne Hagenmaier sprach mit ihm über die Bilanz des Vergangenen und die Zukunft.

Herr Friedrich, am 31. Oktober endet Ihre Amtszeit. Zählen Sie die Wochen bis dahin?

Johannes Friedrich: Nein, das nicht. Aber ich bin erstaunlicherweise auch überhaupt nicht traurig, sondern freue mich auf das, was danach kommt. Jetzt dreht sich ganz viel um Abschied, aber natürlich denke ich auch schon viel daran, wie es danach weitergeht, und da muss man ja auch viel regeln.

Zwölf Jahre als Landesbischof – welche Bilanz ziehen Sie?

Friedrich: Ich bin froh, dass uns vor allem im Verhältnis zur katholischen Kirche, zu den israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und zu den muslimischen Gemeinden Einiges gelungen ist. Wir haben viele Gespräche geführt, viel Energie aufgewendet und sind überall ein ganzes Stück weitergekommen.

Die Amtszeit eines Landesbischofs ist auf zwölf Jahre begrenzt. Hätten Sie gern weitergemacht?

Friedrich: Ich habe mich in der Synode sehr für diese Amtszeitbegrenzung eingesetzt und bin jetzt der erste, den es trifft. Ich denke, es ist gut für die Kirche und für den Betreffenden, wenn es nach dieser Zeit einen Wechsel gibt. Ich sehe das jetzt noch genauso wie damals. Viele Leute sagen jetzt: Schade, dass du gehst. Wer weiß, ob in ein paar Jahren die selben Leute nicht denken würden: Wann geht er denn endlich? Außerdem war ich in den letzten Jahren durchschnittlich an 140 Nächten im Jahr nicht zu Hause. Das war zu viel.

Bis zu Ihrem Abschied haben Sie noch ein volles Programm: Gerade ist das Friedenstreffen in München zu Ende gegangen, die Katholische Akademie verleiht Ihnen den Ökumenepreis, und der Papst kommt nach Deutschland. Ökumene ist Ihr großes Thema. Was ist für Sie das Wichtigste daran?

Friedrich: Ich habe gelernt, dass es in der Ökumene nicht darauf ankommt zu sagen, wo sich die anderen ändern müssen. Ich will ja den Papst nicht evangelisch machen. Ich lerne in der Ökumene auch, warum ich lutherisch bin und auch nichts anderes sein möchte. Und das geht dem Anderen genauso mit seiner Konfession. Wenn man sich gegenseitig akzeptiert und respektiert, kann man auch über Differenzen reden. Außerdem: Wir verkündigen gemeinsam den gekreuzigten, auferstandenen Herrn. Wir haben gemeinsam eine Bibel und ein Glaubensbekenntnis. Das ist doch schon ganz viel. Und die Frage, ob wir gemeinsam Abendmahl feiern können, ist zwar wichtig, aber sie ist nicht der Differenzpunkt, der alle Ökumene unmöglich macht. Das Wichtigste ist, dass wir heute, wo viele Menschen von Jesus Christus gar nichts mehr wissen, gemeinsam Zeugnis ablegen von Gott und Jesus Christus. Es ist viel besser, das gemeinsam zu tun, anstatt sich in der Öffentlichkeit zu streiten und Differenzen auszutragen.

Der Papst kommt nach Deutschland und besucht Erfurt, wo Martin Luther ins Augustinerkloster eintrat – ein spannendes Zusammentreffen. Was erwarten Sie sich von dem Besuch?

Friedrich: Der Papst geht wohl zunächst aus katholischen Gründen nach Erfurt. Aber wir haben ihn zum Gespräch zu uns ins Augustinerkloster eingeladen, weil wir dachten, es ist passend, dorthin zu gehen, wo Luther fünf Jahre lang katholischer Mönch war. Wir wären natürlich auch überall anders hingegangen, aber der Papst hat unsere Einladung angenommen. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen.

Was bedeutet ein deutscher Papst für die Ökumene in Deutschland?

Friedrich: Ich glaube, dass der deutsche Papst die besondere deutsche Situation kennt und darauf eingehen kann. Es gibt wohl kein Land auf der Welt mit einer konfessionellen Situation wie bei uns, dass wir nämlich praktisch gleich viele Evangelische und Katholiken haben. Diese Sondersituation ist glaube ich im Vatikan nicht so vor Augen. Dem deutschen Papst schon – und ich habe die große Hoffnung, dass er entsprechend agieren wird.

Worauf begründen Sie diese Hoffnung?

Friedrich: Ich hatte die Freude, zusammen mit der Kirchenleitung der VELKD im Januar eine Privataudienz bei ihm zu haben. Da habe ich ihn darum gebeten, dass es innerhalb der Lutherdekade bis 2017 eine konstruktiv-kritische Würdigung des Wirkens Martin Luthers durch die katholische Kirche gibt. Ich glaube, dass die katholische Kirche anerkennen muss, dass auch sie sich durch die Reformation zum Positiven hin verändert hat. Auf diese Bitte hat der Papst sehr positiv reagiert und Martin Luther schon in wenigen Sätzen gewürdigt. Er hat auch gesagt, er fände es schön, wenn wir nicht nur das Positive, sondern auch das Kritische, was durch die Reformation entstanden ist, würdigen würden – nämlich dass die Einheit der westlichen Kirche dadurch zerbrochen ist.

In sieben Wochen geht es dann ab in die Provinz. Ihre Gemeinde Bertholdsdorf hat genau 717 Gemeindeglieder. Langweilen Sie sich da nicht?

Friedrich: Ich finde es schön, dass es überschaubar ist. Es ist auch eine aktive Gemeinde mit vielen Kreisen und Gruppen. Ich habe gar keine Angst, mich zu langweilen.

Sie waren jetzt schon ziemlich lang nicht mehr Gemeindepfarrer – müssen Sie das jetzt erst wieder üben?

Friedrich: Da bin ich jetzt auch gespannt, aber ich glaube nicht, dass ich alles verlernt habe. Die Hauptaufgaben, zum Beispiel predigen, habe ich als Landesbischof weiterhin machen können. Aber ich weiß gar nicht, ob ich in den letzten zwölf Jahren eine einzige Beerdigung gehalten habe. Mir fällt keine ein. Taufen habe ich nur drei oder vier gehalten, Trauungen ein paar mehr. Der kritischste Bereich ist vielleicht der Konfirmandenunterricht. Den habe ich jetzt seit über 20 Jahren nicht mehr gegeben und auch meine ganzen Materialien schon entsorgt, genauso wie für den Kindergottesdienst. Aber ich habe nur fünf Konfirmanden, da muss man wahrscheinlich keine große Angst haben.

Wie kam die Entscheidung zustande, ausgerechnet nach Bertholdsdorf zu gehen?

Friedrich: Meine Frau und ich haben seit über 30 Jahren dort in der Nähe ein Häuschen. Ich habe den dortigen Regionalbischof gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn er dort einen Pfarrer braucht. Er hat dann das Dorf ausgesucht.

Dann ziehen Sie jetzt in Ihre Heimat?

Friedrich: Wenn ich irgendwo eine Heimat habe, dann da.

Worauf freuen Sie sich dort am meisten?

Friedrich: Wir haben dort die absolute Ruhe. Ab acht Uhr abends hören Sie nichts mehr. Gar nichts! Natürlich werde ich meine Enkelkinder vermissen und meine Mitarbeiter. Und in München kann man ins Kino oder ins Theater gehen, ohne Auto zu fahren. Das geht dann nicht mehr. Das wird wohl das Einzige sein. Aber erst mal werden wir auch nicht so viel rausfahren. Ich werde froh sein, wenn ich zu Hause bin.