Roth
Kein iPad in der Grundschule

Hirnforscher Manfred Spitzer warnt vor digitaler Demenz unserer Kinder

14.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:59 Uhr

Mit Computer, Smartphone und Playstation bringen wir unsere Kinder um den Verstand, warnt Hirnforscher Manfred Spitzer beim Sparkassengespräch in Roth. - Foto: Schmitt

Roth (rsc) „Basketball, Natur, Musik.“ Professor Manfred Spit-zer stellte mehrmals den Bezug zu den Ehrenamtspreisträgern der Sparkasse Mittelfranken-Süd her.

Nach Meinung des Psychiaters und Hirnforschers der Universität Ulm sind es exakt diese Art von Bildungsinhalten, die Gehirne von Kindern wachsen lassen und lebenslang leistungsfähig machen. Zugleich warnte er vor zu frühem Einsatz digitaler Medien. „Kein iPad oder Laptop in Kindergarten und Grundschule“, lautete eine seiner Botschaften beim Sparkassengespräch in der voll besetzten Kulturfabrik.

Besonders schädlich sei Fernsehen, belegte er anhand zahlreicher wissenschaftlicher Studien. „Eine Bildungs-DVD von Disney ist im selben Maße schädlich wie Vorlesen positive Wirkungen hat“, so Spitzer, der immer wieder auf den wissenschaftlichen Hintergrund seiner Thesen hinwies. „Steht alles in ,Science Nature’, der bedeutendsten Wissenschaftszeitung der Welt“, betonte er mehrmals und zeigte die Charts mit den entsprechenden Statistiken.

Der Hirnspezialist untermauerte also, wie richtig die Sparkasse Mittelfranken-Süd mit der Vergabe ihrer Ehrenamtspreise in diesem Jahr lag. Vier der sechs mit 2500 Euro dotierten Auszeichnungen gingen in den Raum Roth-Schwabach. Andreas Dobler aus Roth hat landkreisweit ein Basketball-Programm an Grundschulen initiiert. Bettina Gammel und Christina Reutner leiten seit acht Jahren im Obst- und Gartenbauverein Rednitzhembach eine Kindergruppe. Sabine Gugel ist seit 16 Jahren Chefin der Dream-Kids in Rohr, einer Nachwuchstruppe, die mit großen Musicalinszenierungen und originellen Chorauftritten im gesamten Landkreis von sich reden gemacht und dafür den Jugendkulturpreis erhalten hat. Vierte im Bunde ist Kerstin Polster. Sie hat im Schwabacher Familienzentrum „Känguruh“ 13 Jahre lang großen Einsatz für frühkindliche Bildung gezeigt.

Manfred Spitzer hat im Jahr 2012 Aufsehen erregt. „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“, lautet der provozierende Titel seines Buches, in dem er zu belegen versucht, dass Computer, Smartphone und Playstation zur Verdummung führen. „Man muss bereits etwas wissen, um erfolgreich googeln zu können“, so eine seiner Thesen.

Ausschließlich durch Lernen und Lesen im herkömmlichen Sinne werde das Gehirn so trainiert, dass dort neue Verknüpfungen, Synapsen, entstehen. „Ihre Zahl ist für die Leistungsfähigkeit des Gehirns ausschlaggebend“, erklärte Spitzer. Die Nutzung des Gehirns führe zu seinem Wachstum. „Sonst werden Synapsen weggeräumt.“ Wer in frühen Jahren also viel lerne, sei auch als Erwachsener besser dran. Es gilt ein scheinbares Paradoxon: „Je mehr schon drin ist, desto mehr passt rein“, sagte der Wissenschaftler. Menschen, die beispielsweise eine zweite Sprache gelernt und sie auch eingesetzt haben, erkranken im Schnitt fünf Jahre später an Alzheimer. „Das ist enorm“, findet er. „Medikamente können das gerade mal drei Monate hinausschieben.“

Spitzer erklärte, dass ein Kindergehirn enorm lernfähig sei. „Schulprobleme entstehen nicht mehr“, so seine Folgerung daraus, „wenn man insbesondere in prekären Gegenden in Kindergärten investiert.“ Jeder Euro dort rechne sich am meisten, weshalb nicht einzusehen sei, fügte Spitzer hinzu, dass der Kindergarten etwas kostet und die Umschulung Erwachsener kostenlos ist. In diesem Zusammenhang sei wichtig, hob er hervor, dass es für gewisse Lernleistungen des Gehirns ein Zeitfenster gebe. „Was innerhalb dessen nicht entwickelt ist, dann war es das“, sagte Spitzer. Basketball, Natur und Musik aber scheinen zu jeder Zeit die richtigen Förderinstrumente zu sein.