Eichstätt
Kein Geld mehr für Bioethik?

Professur endet im Frühjahr 2019 KU will den Bereich in Zukunft größer aufhängen

09.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:43 Uhr

Eichstätt (EK) Die Professur für Bioethik an der Katholischen Universität (KU) steht allem Anschein nach in gut einem Jahr vor dem Aus. Sind der Hochschule Themen wie Sterbehilfe, Klonen oder Genmanipulation nicht mehr wichtig genug? Doch, sehr wichtig sogar, meint die KU. Das Problem sei die Finanzierung.

Dass es an der Katholischen Universität überhaupt eine Stelle gibt, die aus ethischer Sicht zu Fragen der Genetik, des Lebens und der Medizin forscht, liegt daran, dass ein externer Stifter sie bezahlt. Folgerichtig spricht man von einer Stiftungsprofessur. Solche Professuren seien grundsätzlich auf fünf Jahre befristet, heißt es von der Universität. Auch bei Professor Markus Rothhaar und seinem Team sei von Anfang an klar gewesen, dass Ende August 2018 die externe Finanzierung endet. Inzwischen hat die KU die Professur zumindest bis ins Frühjahr 2019 verlängert, damit laufende Forschungsprojekte noch abgeschlossen werden können.

Die Hochschule hat in dieser Woche eine offizielle Stellungnahme zur Zukunft der Stiftungsprofessur Bioethik veröffentlicht. Sie reagiert damit auf Medienberichte und eine Online-Petition zu einem Aus der Bioethik an der KU, in denen laut Universität einige Details nicht richtig dargestellt sind: vor allem die zur Finanzierung.

Wenn man das Thema möglichst vollständig betrachten will, spielen sowohl Fakten aus der Hochschulverwaltung als auch fachliche Argumente eine Rolle. Es geht um das Renommee und Engagement der Hochschule im Bereich Ethik und nicht zuletzt um das Schicksal des betroffenen Teams.

 

FINANZIERUNG

Laut der Stellungnahme der Universität ist das Geld der Knackpunkt bei der Entscheidung darüber, wie es mit der Stiftungsprofessur Bioethik weitergeht. Da die externe Finanzierung nach fünf Jahren endet, müsste die Universität die Professur in den Reigen ihrer eigenen aufnehmen, um sie behalten zu können. "Die Universitätsleitung kann die Anzahl ihrer aus staatlichen Haushaltsmitteln finanzierten Professuren und Lehrstühle nicht frei bestimmen", heißt es dazu in der Erklärung. "Ebenso darf die Universität aus den zuletzt gewährten kirchlichen Sondermitteln, welche ihr die Freisinger Bischofskonferenz zur Verfügung stellt, keine verbeamteten Dauerstellen schaffen." Dies schließe die Neueinrichtung von Professuren und Lehrstühlen aus - ebenso "die Weiterfinanzierung von bislang über Dritte finanzierten Stiftungsprofessuren". Die Professur für Bioethik weiterzuführen, wäre laut dem Statement nur möglich, wenn die Universität dafür eine andere Professur aufgeben würde, oder, wenn sie einen neuen externen Stifter findet. "Beides lässt sich momentan nicht realisieren", heißt es in der Stellungnahme.

 

TEAM UND LEHRE

Von der Bioethik-Professur hängt nicht nur der Job von Professurinhaber Markus Rothhaar (linkes kleines Bild) ab, sondern auch die seines Teams. Auf zwei seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter trifft das direkt zu. Ihre Stellen werden teils über die Professur, teils über Drittmittel-Forschungsprojekte finanziert. Allein über diese Mittel sind zwei weitere Mitarbeiterinnen angestellt. Im Frühjahr 2019 enden diese Forschungsprojekte. Eine Möglichkeit für einen Folgeantrag gibt es - zumindest an der KU - nicht, wenn die Professur dann nicht mehr da ist.

Die Lehrveranstaltungen des Teams seien bei den Studierenden sehr beliebt, meint Markus Rothhaar. Seminarbelegungen mit bis zu 80 Teilnehmern habe es gegeben - für die kleine KU ist das viel. Rennerthemen seien ethische Fragen am Lebensende, beispielsweise Sterbehilfe.

Wenn die Stiftungsprofessur endet, werden diese Lehrangebote das wohl auch tun. Denn im Bereich Philosophie und Ethik bleiben nur der Professor für Philosophie und der Stiftungs-Juniorprofessor für Didaktik der Ethik übrig, die jeweils andere Vorlesungen und Seminare anbieten.

"Die Lehre hat Spaß gemacht", sagt Bioethik-Professor Rothhaar. An der "schönen, übersichtlichen Universität", so Rothhaar weiter, würde er gerne bleiben. Auch die Bedingungen für Forschung seien gut.

 

FORSCHUNG UND RENOMMEE

Was Forschung angeht, hat das Bioethik-Team mehrere Themen angestoßen. Ein Projekt befasst sich mit dem sogenannten Gene Editing. Mit dem neuen Verfahren CRISPR/Cas9, mit dem sich das menschliche Genom sehr zielgerichtet verändern lässt, wird das Thema brisanter. In Zusammenarbeit mit dem Gabrieli-Gymnasium entwickelt das Bioethik-Team Unterrichtsmaterialien zur ethischen Auseinandersetzung damit. Ein weiteres Forschungsprojekt befasst sich mit der Manipulierbarkeit von Embryonen, zum Beispiel der Erzeugung von Mischwesen zwischen Mensch und Tier, und der moralischen Diskussion dazu. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 300 000 Euro gefördert.

Markus Rothhaar ist außerdem engagiert als Ausrichter von Konferenzen zu diesen Themen - beispielsweise findet im Juni eine Tagung in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin statt. Rothhaars Mitarbeiter Martin Hähnel ist indes Mitherausgeber der "Zeitschrift für Ethik und Moralphilosophie".

Der Professurinhaber findet es wichtig, dass die Katholische Universität "sprachfähig" ist zu ethischen Fragen des Lebens. Er nennt Beispiele: Das reproduktive Klonen von Menschen rücke technisch in greifbare Nähe, Big Data im Gesundheitswesen sei ein dringliches Thema. "Da lauert einiges an Debatten auf uns", meint Rothhaar.

 

ETHIK AN DER KU

In der Stellungnahme der Universität heißt es, sie werde den Bereich Ethik nicht abschaffen, sondern in Zukunft ausbauen. Dazu gehöre, dass die Universität die Einrichtung eines Ethikzentrums plane. Die Stadt Ingolstadt werde dafür das ehemalige Georgianum renovieren. Für das Ethikzentrum führe die Hochschulleitung bereits Gespräche zur Einwerbung einer oder mehrerer Stiftungsprofessuren. "Außerdem hat die KU soeben den Lehrstuhl für Moraltheologie neu besetzt mit einem in Ethikfragen ausgewiesenen Wissenschaftler", heißt es in der Erklärung.

Der Vorsitzende des Stiftungsrates der KU, Weihbischof Anton Losinger (rechtes kleines Bild), ist selbst engagiert im Bereich Bioethik - unter anderem war er Mitglied des Deutschen Ethikrates und sitzt in der Bioethik-Kommission der Bayerischen Staatsregierung. "Es ist uns allen völlig klar, dass bioethische Herausforderungen der Zündstoff der Moderne sind", sagt er. Die Hochschulleitung sei "sehr froh und dankbar über die Arbeit in der Bioethik", die Rothhaar und sein Team geleistet haben. In der Zukunft wolle die Universität diesen Bereich größer aufhängen - mit dem Ethikzentrum "als großer Wurf", wie Losinger betont. Das bedeute: "Wir machen nicht weniger Bioethik, wir machen mehr Bioethik."