Ingolstadt - Eine Kabarettveranstaltung um 18 Uhr beginnen zu lassen, ist natürlich ein Unding.
Wenn man allerdings weiß, welche Absicht hinter dieser planerischen Einzigartigkeit steckt, nämlich die, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, anschließend - von Kultur bis auf Weiteres unbehelligt - daheim auf dem Sofa den "Tatort" im Ersten zu sehen, muss man dem Veranstalter für dessen Sinn für Realsatire uneingeschränkt Respekt zollen. Doch, doch, man kann es zwar kaum glauben, aber das hat was.
Bernd Regenauer aus Nürnberg steht an diesem Sonntagabend auf der Bühne der Halle neun. Er ist angetreten, im ersten seiner beiden Kabaretttage-Nachholtermine seinem Auditorium "Das fränkische Seelenland" zu erklären, in Kurzform allerdings, denn für mehr als 60 Minuten ist die Lüftungsanlage der Halle neun nicht ausgelegt. Der Untertitel nennt sich "Eine Reise in das Innere des Zustands", und der hat natürlich auch in der Provinz nördlich der Alb derzeit hauptsächlich mit der aktuellen Lage zu tun.
"Lockdown? Des ham mir in Franken schon 100 Jahre ohne Unterbrechung", sagt Regenauer, und "Franken ist seit jeher ein durchgängiges Risikogebiet. " Oder: "Bei uns gibt's Leut, die ham ihre Maske seit März nicht einmal gewaschen. Das sind die ersten, bei denen Bakterien sichtbar gemacht werden. " Mit dem für ihn seit kabarettistischer Großtaten wie seiner Nützel-Serie typischen trockenen Humor kommentiert er auch diesmal seine Beobachtungen zwischen Brombachsee und Fichtelgebirge, in der ersten Hälfte die während der Corona-Krise gemachten, in der zweiten die eher allgemeingültigen. "Eine pdf-Datei vom Büro ins Homeoffice braucht bei uns im Schnitt drei Monate", lässt er sein mal wissend lächelndes, mal schallend lachendes Publikum wissen, oder kommt zu der Erkenntnis "Wenn bei Sport Bewegung im Spiel ist, wird der Franke misstrauisch".
Regenauers Stärke ist seine scheinbare Harmlosigkeit. Er erzählt, plaudert, streut hie und da auch mal einen kleinen Witz oder einen auf den Punkt gereimten Vierzeiler ein. Aber immer steckt hinter der erzählten eine zweite Ebene, die man vielleicht nicht gleich entdeckt, die aber immer vorhanden ist. Die Nummer mit der Deppen-App ist so eine, die mit Sicherheit nicht zufälligerweise nahtlos übergeht in die Weissagung, Markus Söder werde einst wegen eines kaputten Kühlschranks Bundeskanzler werden. Es gibt also bei ihm nicht nur jede Menge zündender Pointen, gut versteckte Widerhaken und einen perfekt formulierten Reisebericht aus dem besagten "Inneren des Zustands", sondern auch jede Menge zu lachen. Sollte einem Regenauers Programm also irgendwann mal in kompletter Länge angeboten werden, sollte man sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und hingehen.
In Ingolstadt werden derweil im Herbst weitere speziell ausgewählte Termine der verschobenen Kabaretttage in lockerer Reihung nachgeholt. Ob man wegen übermächtiger TV-Konkurrenz - eventuell durch die "Rosenheim Cops" oder den "Bergdoktor" - erneut mit geänderten Anfangszeiten rechnen muss, ist derzeit aber nicht bekannt.
DK
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