Juncker redet Klartext

Von Wolfgang Weber

30.12.2018 | Stand 02.12.2020, 14:56 Uhr

Nach der Europawahl im Mai wird EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus dem Amt scheiden.

Da schien es ihm wohl jetzt höchste Zeit, sich den Frust über den Zustand der EU von der Seele zu reden. Erfrischend undiplomatisch hat er den Mitgliedsregierungen "himmelschreiende Heuchelei" bei der Sicherung der EU-Außengrenzen vorgeworfen und von den Briten verlangt, endlich ihr Theater zu beenden und Klarheit in der Brexit-Frage zu schaffen. Und schließlich erklärt Juncker - und das ist der gravierendste Punkt - Rumänien für völlig unfähig, zum Jahreswechsel den Ratsvorsitz zu übernehmen, weil das Land überhaupt nicht kooperationswillig sei.

Tatsächlich gab es vor dem Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 massive Zweifel daran, dass das Land reif für den Klub ist. EU-Kommission und Regierungen wischten die beiseite, Wirtschaftsinteressen - sprich die Erwartung neuer Absatzmärkte - und geopolitische Überlegungen - also den Einfluss Russlands zu unterlaufen - galten als wichtiger. Heute hat Rumänien ein riesiges Korruptions-Problem, das die Regierung in Bukarest mit dem bemerkenswerten Argument bestreitet, dass andere Länder in der EU noch "viel korrupter" seien. Dieselbe Regierung will jetzt bestochene Politiker und Beamte amnestieren und weist jede Kritik daran zurück. Die Rechtsstaatlichkeit sei in Rumänien gewahrt - kein Vergleich mit den Zuständen in Polen und Ungarn.

Das offenbart das vielleicht größte Problem der EU: Wer erst einmal Mitglied ist, kann gegen seinen Willen nie wieder hinausgeworfen werden. Das hat der Europäische Gerichtshof erst Anfang Dezember festgeschrieben. Deshalb ist es unumgänglich, die Aufnahme weiterer Kandidaten äußerst vorsichtig und zurückhaltend zu behandeln. Denn der alte Glaubenssatz, dass immer mehr Mitglieder immer nur besser für die EU sind, hat sich als gefährliche Irrlehre erwiesen.

Und da müsste sich auch Juncker, bei aller berechtigter Kritik an anderen, an die eigene Nase fassen. Denn seine Kommission hat den Staaten des Westbalkans um Albanien und Kosovo den Beitritt bis 2025 in Aussicht gestellt. Bis dahin sind zwar noch viele Hürden zu nehmen, aber zumindest Kommissionschef Juncker ist sich schon sicher: "Der Platz des Westbalkans ist in der EU. "