Ingolstadt
Jedes Baby bekommt Besuch vom Jugendamt

02.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:03 Uhr

Fachsimpeln über Kinderschutz: (v.r.) Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, im Gespräch mit den Linken-Politikern Ulrike Hodek, Eva Bulling-Schröter und Jürgen Siebicke. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Kinderarmut war das Thema beim sozialpolitischen Runden Tisch der Linkspartei. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, stellte ein von ihm umgesetztes Präventionsmodell vor.

Zunächst zitierte Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter Zahlen aus dem Sozialbericht der Stadt Ingolstadt. In der Boomtown lebt jedes zehnte Kind in Armut. 29 Prozent der Alleinerziehenden mit Kind sind Hartz-IV-Empfänger und von Armut bedroht. Das eigentlich Verwerfliche für Bulling-Schröter: "Die in Armut geboren wurden, haben fast keine Chance, sich daraus zu befreien".

Hauptredner des Abends war Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. Der ehemalige Bürgermeister von Dormagen stellte das von ihm eingeführte Präventionsmodell "Netzwerk für Familien" vor, das sich am skandinavischen Erziehungsmodell orientiert. In Dormagen werden alle neugeborenen Kinder – ob arm oder reich – von Sozialarbeitern begrüßt. Bei dem Besuch bekommen Eltern alle Informationen und Formulare, die für die erste Lebenszeit wichtig sind. "Ähnlich wie in Dänemark, wo sogar die Kronprinzessin vor kurzem Besuch vom Jugendamt bekam, weil sie einen kleinen Prinzen gebar", so Hilgers.

Das Dormagener Frühwarnsystem zum Schutz vor Kindesarmut, Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung hat seine Schwerpunkte laut Hilgers vor allem in der Beratung, Unterstützung und Hilfe für Familien in Fragen der Betreuung und Erziehung. Es sichert aber auch armen Familien die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Die Linken-Stadträte Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke zeigten sich von den Ergebnissen des Modells überzeugt.

Bei der Diskussion waren die Sprecher von Diakonie, Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften und Jobcenter Ingolstadt sich darin einig, dass Prävention so früh wie möglich einsetzen muss. Isfried Fischer vom Jobcenter der Stadt Ingolstadt sah jedoch vor allem das Problem der Finanzierung. Dagegen konterte ein ehemaliger Streetworker: "Weitaus höhere Kosten kommen auf die Kommune zu, wenn nichts getan wird."

Heinz Hilgers fand auch deutliche Worte zum aktuellen Thema Kindesmissbrauch. Er forderte, dass die Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses in regelmäßigen Abständen nicht nur für Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendhilfe gelten sollte, sondern auch für Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Dafür müsse das Schulrecht in den Bundesländern entsprechend angepasst werden.