München - Auf der Startseite prangt eine bunte Wortwolke, die es jede Mundartfreundin und jeden Dialektliebhaber sogleich in den Fingern jucken lässt. Was ist ein Aufspülhudel? Welche Bedeutung hat das Wort stakelig? Und was meint der Bayer, wenn er von einem Brägler spricht?
Ein Klick, und schon ist man schlauer - und alsbald angefixt von dieser neuen Internetplattform namens "Bayerns Dialekte Online" (BDO), hinter der die Bayerische Akademie der Wissenschaften steht. Sie verbindet mit dem frei zugänglichen Onlinetool drei ihrer Forschungsprojekte. Erstens das Bayerische Wörterbuch (BWB), das den Wortschatz der bairischen Dialekte vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart erfasst und seit 1995 herausgegeben wird. Aktuell ist die Redaktion bei Band drei - von Prä bis törmisch - angelangt. Dereinst sollen es einmal zwölf Werke sein; die Fertigstellung ist für 2060 anvisiert.
Lediglich im Internet publiziert wird dagegen, zweitens, das Fränkische Wörterbuch. Sein Ziel ist die "vollständige Dokumentation des mundartlichen Wortschatzes", wobei als Basis abertausende Fragebögen aus den Jahren 1927 bis 2001 dienen. Drittens gibt es noch das Dialektologische Informationssystem von Bayerisch-Schwaben, kurz DIBS. Dieses ebenfalls reine Online-Projekt will nicht nur die Dialekte im Regierungsbezirk Bayerisch-Schwaben dokumentieren, sondern die zugehörige Datenbank soll auch Tondateien, Fotos und Videos umfassen.
Die neue Plattform "Bayerns Dialekte Online" schlage nun "eine Brücke zwischen diesen drei Wörterbüchern", sagt Andrea Schamberger-Hirt, Redaktionsleiterin des BWB. Und ihre Kollegin aus Franken, Mechthild Habermann, ergänzt: "Die BDO zeigt den Reichtum der Dialekte Bayerns im Verbund. Erst durch diese Gesamtschau wird deutlich, wie eng Bairisch, Schwäbisch und Fränkisch miteinander verwoben sind."
Manchmal geht es derb und ruppig zu
Das Onlinetool soll nicht nur Anlaufstelle für die Forschung sein, sondern richtet sich auch an interessierte Laien. Sie finden über die zufällig generierte Wortwolke auf der Startseite einen schnellen Einstieg. Die wahre Stärke des Angebots zeigt sich jedoch erst, wenn man tiefer in die Suchfunktion einsteigt.
Hier lassen sich nicht nur einzelne Mundartwörter nachschlagen - inklusive deren Bedeutung, regionaler Verbreitung sowie Belegen. Sondern über die erweiterte Suche ist es auch möglich, sich verschiedene Dialektbegriffe einer bestimmten Bedeutung anzeigen zu lassen. "In der Mundart geht es ja manchmal derb und ruppig zu", sagt BWB-Redaktor Vincenz Schwab, ehe er in die Suchmaske das Wort verprügeln eintippt. Im nächsten Augenblick spuckt die Datenbank 181 Treffer aus - von abbräcken (bairisch) über denglen (schwäbisch) bis zu zusammenwamsen (fränkisch).
Darüber hinaus gebe es eine Stichwortliste, sagt Schwab und klickt dort beispielhaft den Begriff aufbrezeln an. Dessen Verwendung im Sinne von herausputzen und sich fesch machen ist vielerorts verbreitet und bekannt. Was dagegen nur wenige wissen, sind die weiteren Bedeutungen des Wortes in einzelnen Regionen des Freistaats. So erfährt man in dem zugehörigen BDO-Eintrag, dass aufbrezeln auch zornig machen oder übertreiben meinen kann. Zudem lässt sich das Wort gleichbedeutend mit aufklären verwenden, wofür das Onlinetool einen Beleg aus Mammendorf bei Fürstenfeldbruck liefert: "Der Sachverhalt wurde vollständig aufbrezlt."
Vernetzung der Daten als großer Vorteil
"Der große Vorteil einer Datenbank gegenüber einem Druckwerk ist die Vernetzung der Daten", betont Vincenz Schwab. Ein Klick, und schon ist man beim nächsten Beleg, bei der nächsten Bedeutung, beim nächsten Begriff. Wobei aktuell in der BDO noch das Fränkische Wörterbuch dominiert - schließlich wurden dessen circa 50.000 Artikel automatisch in die neue Datenbank eingespeist. Aus der schwäbischen DIBS sind bislang 3000 Wortartikel vertreten. Und aus dem BWB seien es aktuell gut 2000, berichtet Redaktionsleiterin Andrea Schamberger-Hirt. Bei den übrigen der bisher 30000 Wortartikel muss man sich derweil mit einem PDF-Abzug des zugehörigen Eintrags im gedruckten Wörterbuch begnügen - noch. Denn in den kommenden zwei Jahren werde man diese Artikel nach und nach in die BDO-Datenbank übertragen, kündigt Schamberger-Hirt an.
Schon jetzt bietet das neue Angebot aber ausreichend Material, um stundenlang in den Feinheiten der bayerischen Dialekte abzutauchen - und viel Neues zu erfahren. Etwa zu den eingangs erwähnten Wörtern. So ist ein Aufspülhudel im Fränkischen ein Lappen zum Aufwischen. Wen der Schwabe stakelig nennt, der ist langbeinig und hager. Und als Brägler bezeichnet man im Bairischen einen Vielredner und Schwätzer.
DK
Patrick Stäbler
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