Kösching
Immer ein Blick für menschliche Not

Arbeiterwohlfahrt Kösching feierte ihr 70-jähriges Bestehen

03.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:42 Uhr
Zahlreiche Ehrungen für langjährige Mitgliedschaft und ehrenamtliches Engagement gab es bei der AWO Kösching. −Foto: Mayerhofer

Kösching (DK) Eindrucksvoll feierte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Kösching ihr 70-jähriges Bestehen. Zu der Feier gehörten ein ökumenischer Gottesdienst, ein Festvortrag der Bezirksvorsitzenden Nicole Schley, ein Grußwort von Werner Widuckel, ein historischer Rückblick und zahlreiche Ehrungen.

„Schafft euch ein Nebenamt, ein unscheinbares, womöglich ein geheimes Nebenamt! Tut die Augen auf und sucht, wo ein Mensch ein bisschen Zeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein bisschen Fürsorge braucht.“ Mit diesem Auszug aus einem Mitgliedsbuch der AWO begann Bürgermeisterin Andrea Ernhofer die Begrüßung der zahlreichen Mitglieder und Gäste, die zum Jubiläum der Köschinger AWO im Schlossgarten erschienen waren. Darunter waren ihre Stellvertreter Leo Pannwitz und Manfred Hofweber, die Präsidentin des AWO-Bezirks Oberbayern, Nicole Schley, den Kreisvorsitzenden Achim Werner aus Ingolstadt und Altbürgermeister Siegfried Betz.

Beim ökumenischen Gottesdienst, den er zusammen mit dem langjährigen Krankenhausgeistlichen Johann Kauschinger gestaltete, erinnerte Pfarrer Jürgen Habermann an die Schnelllebigkeit der gegenwärtigen Zeiten. Dabei werden notwendige soziale Unterstützungen mit pauschalen Worten oft an die Öffentlichkeit oder an die Kommunen abgegeben oder man verlässt sich auf Hilfsorganisationen. „Viele sind tendenziell heute wohlhabend, aber auch herzlos geworden“, betonte der Pfarrer von St. Paulus in Ingolstadt. Außerdem herrsche gesamtgesellschaftlich der eigenartige Trugschluss, es gehe allen Leuten gut. Angesichts der Situation vieler Arbeitsloser, alleinstehender Mütter und der Armut von Millionen von Kindern sei dies „ein Märchen ohne Happy End“.

Früher hätte es auch klare und bleibende Not gegeben, aber mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die 1919 gegründete Arbeiterwohlfahrt habe schon immer einen Blick für die menschliche Not und schmerzhaften Schicksale gehabt nach folgenden Prinzipien: Solidarität und Selbsthilfe, Bewältigung sozialer Probleme, Toleranz, Freiheit und Gerechtigkeit.

Habermann betonte, diese Grundsätze tätiger Nächstenliebe verbänden sich mit denen von Jesus von Nazareth, so mit der geistlichen Armut, dem Hunger nach Gerechtigkeit und Frieden: „Ubi caritas et amor, ibi deus est. – Wo Mitmenschlichkeit und Liebe sich ereignen, ist Gott am Werk. Also auch im Wirken der AWO!“ Die lange, stolze Geschichte der AWO Kösching möge sich erfolgreich fortsetzen bis zum nächsten großen Jubiläum in fünf Jahren.

In einem Grußwort lobte Werner Widuckel, SPD-Bundestagskandidat, das erfolgreiche Wirken der AWO bei der Einführung des Frauenwahlrechts 1919. Deren Gründerin und langjährige Vorsitzende Marie Juhacz habe die „mitfühlende Solidarität“ zu ihrem Grundsatz erklärt. Widuckel, der seit 1986 der AWO angehört und selbst einige Jahre in Kösching lebte, meinte, der Köschinger Ortsverband sei durch Hunderte von ehrenamtlichen Helfern „70 Jahre jung geblieben“ und habe in der Gemeinde eine wichtige Rolle gespielt: „Ohne AWO wäre Kösching ärmer.“ Er dankte Dieter Betz für sein Engagement als „Motor, Herz, Orientierungspunkt und ruhender Pol“ in bewährter Familientradition.

In ihrem Festvortrag erinnerte Nicole Schley an die Anfänge der Arbeiterwohlfahrt nach dem Zweiten Weltkrieg. Angesichts der nicht versiegenden Flüchtlingsströme, der zurückkehrenden Kriegsteilnehmer, der herumirrenden Jugendlichen und des täglichen Kampfes um ein Dach über den Kopf und um Nahrung und Kleidung traf sich die AWO zur ersten Reichskonferenz im Mai 1947. In Bayern vollzog sich der Neuanfang durch die Genehmigung der amerikanischen Militärregierung schon mit dem „Wohlfahrtsmemorandum Nummer 2 vom 3. April 1946“. Mit Unterstützung des „International Rescue and Relief Committee“, des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks, der Quäker und der Arbeiterwohlfahrt New York seien bis zur Währungsreform im Juni 1948 Maßnahmen der Kindererholungsfürsorge und die Verteilung von lebenswichtigen Spenden von Fett, Kakao und Milchpulver organisiert worden. Der Aufbau der AWO sei in Bayern von unten nach oben erfolgt, und bereits 1947 habe es 159 Ortsvereine mit 15 000 ehrenamtlichen Helfern und 12 800 Freunden und Förderern gegeben. Der Bezirksverband Oberbayern sei erst 1954 entstanden, und das Streben nach Autonomie sei bis heute in den Ortsvereinen wirksam. Zur Zeit habe der Bezirksverband 16 500 Mitglieder und mehr als 6000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Getreu dem Motto „Sozial gerecht und dem Gemeinwohl verpflichtet“ sei er einer der größten Träger der freien Wohlfahrtspflege mit etwa 120 Kindertagesstätten, Einrichtungen der Frühförderung, der Heil- und Sozialpädagogik. „Unsere Basis aber ist und bleibt – als zivilgesellschaftliche Organisation – die Verankerung in der Bevölkerung vor Ort,“ betonte die Bezirksvorsitzende. Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land der zunehmenden Globalisierungsängste forderte sie eine Bildungsoffensive. Damit könne die Demokratie und die europäische Integration gestärkt und den Populisten entgegen gewirkt werden. Eine Politikänderung sei umso wahrscheinlicher, wen eine große Mehrheit von wohlhabenden Menschen für sie eintrete. Schley lobte das Engagement der Köschinger AWO: „Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viele Menschen sich ehrenamtlich für andere einsetzen und mit wie viel Herzblut diese Arbeit von den Ortsvereinen koordiniert wird.“

EHRUNGEN

Zum Abschluss der Feier wurden zahlreiche Ehrungen durchgeführt.

Für 40 Jahre Treue zur AWO konnten geehrt werden: Josef Zacherl, Helga Bräutigam, Herbert Rottenkolber, Martina Sebald, Gerhard Krassler und Franziska Vogl; für 30 Jahre: Rosemarie Strasser, Franziska Stangl, Klaus Binder, Willy Wriggers, Dieter Betz; für 25 Jahre: Cornelia Lamm; für 20 Jahre: Gisela Schwalm, Barbara Dilger, Beate und Wilhelm Ferstl, Josef Wild. Christa Tannwitz; für 15 Jahre: Iris Semmler, Rosi Ferstl; für 10 Jahre: Ingrid Chladek, Franziska Sterzl, Max und Rosa Lindner, Stefanie Schmid.

Darüber hinaus wurden 48 Männer und Frauen für ihren großen Einsatz als Helferinnen und Helfer, als Sammlerinnen und Sammler sowie für ihre Arbeit in der Vorstandschaft mit dem Ehrenzeichen der AWO ausgezeichnet. | frj