Ingolstadt
"Ihr Problem ist, dass sie so impulsiv ist"

Yael Ehrenkönig über ihre Titelrolle in Friedrich Schillers Tragödie "Maria Stuart" am Stadttheater Ingolstadt

27.11.2016 | Stand 02.12.2020, 18:59 Uhr

Yael Ehrenkönigs bisher größte Rolle in Ingolstadt ist die Titelrolle in Schillers "Maria Stuart". Rechts das Porträt eines unbekannten Künstlers. Premiere ist am 3. Dezember um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters. - Fotos: Voigt/Wikipedia

Ingolstadt (DK) Im England des Jahres 1587 kämpfen zwei Frauen um den englischen Thron: Elisabeth I. und die schottische Königin Mary Stuart. Ihr Konflikt um die Herrschaft ist gleichzeitig ein Kampf zwischen katholischen und protestantischen Kräften, die um die Vorherrschaft auf der Insel ringen. Das ganze europäische Kräftegleichgewicht gerät in Bewegung.

Doch Elisabeth spürt die Bedrohung Marias nicht nur als Herrscherin, auch als Frau fühlt sie sich herausgefordert. Denn zahlreiche Männer verfallen Maria. Und fatalerweise begehren beide Frauen denselben Mann, den Grafen von Leicester. Elisabeth steht unter Zugzwang. Sie unterschreibt Marias Todesurteil und hofft auf Ruhe. Doch Maria triumphiert ein letztes Mal: Als religiöse Märtyrerin sichert sie sich einen Platz in der Geschichte. In seinem Trauerspiel "Maria Stuart", 1800 in Weimar uraufgeführt, bearbeitete Friedrich Schiller das Schlachtfeld von Politik, Religion und Erotik. Unter der Regie von Hansgünther Heyme, der an gleicher Stelle schon "Die Perser" von Aischylos in Szene setzte, hat "Maria Stuart" am Samstag, 3. Dezember, im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt Premiere. In der Titelrolle ist Yael Ehrenkönig zu erleben.

Frau Ehrenkönig, mögen Sie Schiller?

Yael Ehrenkönig: Mittlerweile schon. Im Deutsch-Leistungskurs habe ich Schiller gehasst - vermutlich, weil ich nicht verstanden habe, warum man so sprechen muss und warum man das heute überhaupt noch lesen muss. Erst durch die Schauspielschule habe ich diese Sprache lieben gelernt. Da musste ich Elisabeth spielen - und bin kläglich gescheitert. Aber in der Beschäftigung mit dem Stoff erkannte ich die Qualitäten: Wie genial das Stück gebaut ist und wie toll die Sprache ist. Wenn man die richtig erarbeitet - was Regisseur Hansgünther Heyme ja macht -, braucht man gar nicht mehr so viel dazuzugeben.

 

Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von der Besetzung erfuhren?

Ehrenkönig: Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Natürlich habe ich mich riesig gefreut, aber ich habe auch Respekt vor der Rolle. Es ist ja eine große Verantwortung.

 

Wie ist die Bühne?

Ehrenkönig: Eine Mischung aus klassisch und modern, wie auch die Inszenierung - mehr will ich gar nicht verraten.

 

Wenn man den Schauspielerberuf ergreift, hat man dann Rollen wie die der Maria Stuart vor Augen?

Ehrenkönig: Definitiv. Im persönlichen Ranking steht die Maria Stuart an erster Stelle - vor Medea, Elisabeth oder dem Gretchen.

Was reizt Sie an dieser Rolle?

Ehrenkönig: Vor allem das, was mir fremd ist: diese große Existenzangst, auch der tiefe Glaube. Das muss man erst mal für sich verstehen können. Es ist spannend, diese Balance zu finden zwischen der Rolle der Königin und der des Menschen Maria, diese Mischung aus Rationalität und Emotion, aus Kraft und Zärtlichkeit.

 

Erklären Sie uns kurz den Konflikt: Worum geht es im Streit zwischen Elisabeth und Maria?

Ehrenkönigin: Ich habe mich zwar mit dem historischen Stoff ein bisschen befasst und lese gerade Stefan Zweigs Biografie über Maria Stuart, aber Schiller ist ja nicht ganz bei der historischen Realität geblieben. Also konzentrierte ich mich in der Auseinandersetzung mit den Figuren hauptsächlich aufs Stück. Eigentlich hatte Maria bei Elisabeth in England Schutz vor dem rebellierenden Adel in Schottland gesucht, doch die englische Monarchin hatte Angst um ihren Thron und ließ sie gefangen nehmen. Später gab es Versuche, Maria zu befreien. Neben Intrigen und Verschwörungen gab es ein Attentat auf Elisabeth. Daraufhin klagte man Maria des Hochverrats an und verurteilte sie nach einer mehr als undurchsichtigen Beweisführung samt falscher Zeugenaussagen zum Tode. Eigentlich ist es ein Justizkrimi. Aber der Konflikt zwischen den Frauen hat natürlich auch einen konfessionellen Hintergrund. Darüber hinaus geht es um Macht, um den Anspruch auf denselben Thron und denselben Mann.

 

Was für eine Frau ist Maria Stuart bei Ihnen?

Ehrenkönig: Ich glaube, meine Elisabeth auf der Schauspielschule ist damals gescheitert, weil ich eine Königin spielen wollte. Das konnte ja nur im Klischee enden. Bei Maria versuche ich, die Konflikte zu spielen, ihre Ziele, ihre Kämpfe, ihre Ängste - einfach den Menschen.

 

Wenn man sich Ihr Spiel in den unterschiedlichsten Rollen so vergegenwärtigt, stellt man sich eine sehr kämpferische Maria vor - eine Art Jeanne d'Arc.

Ehrenkönig: Richtig. So sehe ich sie. Witzigerweise ist "Die Jungfrau von Orleans" auch das Werk, das Schiller nach der "Maria Stuart" schrieb.

 

Was ist die größte Herausforderung bei dieser Rolle?

Ehrenkönig: Maria glaubt ja von sich, dass sie die bessere Königin wäre. Ihr Problem ist nur, dass sie so impulsiv ist. Sie ist leidenschaftlich und dafür wird sie von den Männer begehrt. Aber leider steht sie sich selbst im Weg. Und sie schwankt oft zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.

 

Wie ist es mit der Schillerschen Sprache?

Ehrenkönig: Mit einem Regisseur wie Hansgünther Heyme ist das kein Problem. Wir haben zu Beginn sehr viel am Tisch gesessen und gelesen. Dabei hat er den Rhythmus vorgegeben, nach der Essenz der Sätze gesucht, erklärt, wo eine Zäsur sein muss und wo eben nicht. Er ist sehr präzise. Und ich habe wirklich Lust auf diese Sprache bekommen. Weil sie sehr direkt ist und in kurzer Zeit so viel mehr auszudrücken vermag.

 

Die spannendste Szene für Sie?

Ehrenkönig: Natürlich die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth. Jeder wartet auf diese Szene, aber danach ist nichts entschieden. Es ist sogar noch schlimmer als vorher.

 

Teresa Trauth spielt Marias Gegensacherin Elisabeth. Herrscht da die hohe Kunst der Diplomatie oder ist das ein Zickenkrieg?

Ehrenkönig: Wir sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Und im Streit geht es ganz schön zur Sache. Sie ist aber sehr gesettelt, ich bin eher die Furie. (Sie lacht.) Aber der Zuschauer hat natürlich mehr Sympathie für Maria.

 

Die Fragen stellte Anja Witzke.

 

Premiere von "Maria Stuart" ist am 3. Dezember um 19.30 Uhr im Großen Haus des Stadttheaters Ingolstadt. Karten gibt es unter Telefon (08 41) 30 54 72 00.