Neuburg
"Ich würde es ohne Zögern wieder machen"

Karl-Heinz Wunderlich zieht sich nach 17 Jahren von der Spitze der Neuburger Tafel zurück

14.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:39 Uhr

Abschied von der Tafel: Karl-Heinz Wunderlich ist seit der Gründung des Neuburger Vereins vor 17 Jahren dessen Vorsitzender. Jetzt zieht sich der 72-Jährige von der Spitze zurück und macht den Weg für jüngere Mitglieder frei. - Foto: Janda

Neuburg (DK) Leicht fällt ihm der Abschied nicht: Nach 17 Jahren an der Spitze der Neuburger Tafel legt Karl-Heinz Wunderlich sein Amt nieder. Mit ihm hört der erste und bisher einzige Chef des gemeinnützigen Vereins auf. "Doch ich würde es wieder machen - ohne zu zögern ", betont der 72-Jährige.

Die Kisten stapeln sich schon wieder. Milchpäckchen, Joghurtbecher, Eier und viele andere Lebensmittel warten auf die Abholung. Die Mitarbeiter der Tafel eilen emsig von Regal zu Regal, kontrollieren die Ware, sortieren sie. Ein ganz normaler Tag im Laden des Vereins im Schwalbanger-Viertel. Und doch einer, der etwas anders abläuft. Denn zum letzten Mal bereitet Karl-Heinz Wunderlich als Vorsitzender die Ausgabe der Lebensmittel an bedürftige Menschen mit vor. Morgen Abend wird er seinen Posten an einen jüngeren Nachfolger übergeben, ein Kandidat dafür steht schon bereit.

Mit Wunderlichs Rückzug endet eine Ära bei der Tafel. 17 Jahre gibt es den Verein bereits in Neuburg, genau so lang engagiert sich der frühere Bundeswehrsoldat an der Spitze der Helferschar. Doch genau deren Arbeit und die Würdigung all dessen, was die Ehrenamtlichen Woche für Woche leisten, liegt dem scheidenden Chef am Herzen. "Die Teamarbeit zählt", stellt er klar und vergleicht die Mannschaft der Tafel mit einem großen Zahnrad: "Wenn ein Zahn ausfällt, dann ruckelt es etwas, bei zwei wackelt es gewaltig, aber bei drei geht schon gar nichts mehr." Und so sei es auch bei den vielen Aufgaben, welche die Helfer unentgeltlich und im Dienst der Allgemeinheit übernehmen. "Ohne dieses Team hätte ich hier gar nichts bewegen können", sagt er und nennt allen voran seine langjährige Stellvertreterin Ursula Schmitt, die ihm 16 Jahre lang den Rücken stärkte. Als Lohn für ihre Mühen erhielten beide die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland - "eine Auszeichnung für das gesamte Team". Neben den beiden beenden auch Wunderlichs Frau Heidrun und die evangelische Pfarrerin Anne Stempel-de Fallois ihre Tätigkeit im Vorstand.

Angefangen hatte das Engagement Wunderlichs übrigens mit einem Zufall. "Meine Frau ist damals zu einer Vorbesprechung - und schon war es geschehen", erinnert sich der gebürtige Nürnberger an den Beginn seiner Arbeit bei der Tafel. Dabei kam ihm seine berufliche Karriere gerade recht, denn Wunderlich hatte das Glück, wie er es nennt, nach 30 Jahren bei der Bundeswehr früh in Pension gehen zu können. "Dabei stand früh fest, dass ich mich sozial engagiere", sagt er. "Wenn es einem gut geht, dann kann man der Gesellschaft auch etwas zurückgeben."

Und die Neuburger Gesellschaft hat ein solches Engagement nach wie vor nötig. Der Bedarf an den Lebensmitteln der Tafeln sei groß, erklärt Wunderlich, der in den vergangenen Jahren einen Anstieg verzeichnete. Mehr als 150 Familien nutzen das Angebot des Vereins derzeit, also umgerechnet 450 bis 500 hungrige Münder, welche die Mitarbeiter dank der Spendenbereitschaft vieler Firmen Woche für Woche füttern. Dass diese Zahl weiter steigt, hat Wunderlich zufolge auch mit der rascheren Anerkennung vieler Flüchtlinge zu tun. Das Problem: "Darunter sind viele Moslems, die nicht alle Lebensmittel verwerten können." Daher ist die Tafel mittlerweile verstärkt auf Spenden angewiesen, die halal - also im Islam erlaubt - sind.

Einige unschöne Erinnerungen nimmt Wunderlich auch mit aus seiner Zeit als Vorsitzender. Zweimal, 2009 und 2010, stahlen Unbekannte ein Kühlauto der Tafel. Eine unfassbare Tat, wie der 72-Jährige betont. "Denn diese Fahrzeuge dienen ja einem guten Zweck." Und erst im vergangenen September ereigneten sich zwei Brandanschläge auf die Einrichtung im Schwalbanger, die zwar glimpflich endeten, aber dennoch schlimme Folgen für die Einrichtung hätten haben können. "Daran knabbert man schon eine Weile."

Mit den Räumen, die früher einen Supermarkt beherbergten, und der Einrichtung sieht Wunderlich ideale Voraussetzungen für die Zukunft der Tafel. "Damit können wir uns bayernweit messen", findet er. Selbst in einigen Großstädten seien die Tafeln nicht so gut ausgestattet wie in Neuburg. Ganz loslassen will der scheidende Vereinschef nach 17 Jahren aber trotzdem nicht. "Das Angebot steht: Ich bin bereits, bei Engpässen Hilfe zu leisten", betont er. Gleichzeitig freut sich der Vater zweier erwachsener Söhne und vierfache Großvater aber, in Zukunft mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Nebenbei haben er und seine Frau eine Patenschaft für eine syrische Flüchtlingsfamilie übernommen. Und auch ein Hilfsprojekt in Bolivien unterstützt das Paar weiterhin. "Langweilig wird es nicht", erklärt Wunderlich, der sich auch auf einen Urlaub freut. Das Traumziel? "Die Malediven", sagt er und lacht. Vorher können es mit dem Wohnwagen aber auch Italien oder Holland werden.