Schweitenkirchen
"Ich gebe nicht auf"

Herbert Possenriede ist seit 55 Jahren Kampfsporttrainer und trotzt auch den gesundheitlichen Problemen

24.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:07 Uhr
In Aktion: Herbert Possenriede ist seit über 55 Jahren Trainer, hier setzt er zu einem Schulterrad an. −Foto: Possenriede

Schweitenkirchen - "Ein Tag ohne Sport ist ein verlorener Tag. " Herbert Possenriedes Motto beschreibt ihn selbst ganz gut, seit 55 Jahren ist er nun schon Kampfsporttrainer in vielen Sportarten.



Heuer werden es sogar schon 56, doch das Trainerjubiläum fiel in ein schwieriges für Possenriede: Gesundheitliche Probleme - erst das Herz, später die Lunge - machten dem heute 77-Jährigen schwer zu schaffen, fast 200 Tage lang lag Possenriede im Krankenhaus, zwischenzeitlich auch im Koma: "Ich bin genau in der Woche aufgewacht, in der ich vor 55 Jahren als Trainer angefangen habe", meinte Possenriede. Mittlerweile sitzt er im Rollstuhl, sein rechtes Bein ist gelähmt, nachdem ihm ein Hämatom die Nerven abgeklemmt habe. Possenriede aber ist ein Kämpfer, hofft in diesem Jahr noch auf Besserung: "Ich hoffe, dass ich noch heuer aus dem Rollstuhl kann", sagt er.

Im Februar 1962 begann Possenriede mit dem Judosport bei der Judoschule Lingen in seiner niedersächsichen Heimat. Über Berlin, wo er das Judotraining während seines Studiums in der Sportgruppe der Technischen Universität fortsetzte, kam Possenriede 1968 berufsbedingt nach Osnabrück. Hier schloss er sich dem Polizei-SV an und wurde wenig später deren Abteilungsleiter für Judo und Jiu-Jitsu. Ein Jahr später meldete er sich als 27-Jähriger zum Übungsleiterlizenzlehrgang an, die vorgeschriebene fünfjährige Trainertätigkeit konnte Possenriede ohne Weiteres nachweisen. Nach bestandener Prüfung bestand er dann auch noch im gleichen Jahr die Prüfung zum 1. Dan im Judo - es sollten viele weitere Dan-Prüfungen in verschiedenen Kampfsportarten folgen. 1971 verschlug es Possenriede dann berufsbedingt - er war Diplom-Ingenieur, arbeitete später in der Entwicklung bei BMW - in den Süden. Erst nach Lohhof, wo er bei einer der Gründerväter der Judoabteilung des SV Lohhof war. 1981 gründete er schließlich die Judoabteilung in Schweitenkirchen. "Im Laufe der Jahre habe ich mehrere Sportler für die deutsche Judo-Nationalmannschaft ausgebildet und mit ihnen viele Titel zum FC Schweitenkirchen geholt. "

Dort ist er heute noch im Vorstand aktiv, ist eines der Gesichter des Vereins. Possenriede war jedoch nicht nur auf Judo fixiert, andere Kampfsportarten weckten sein Interesse: "Die Selbstverteidigung stand dabei im Vordergrund. " Auch hier schaffte er es zu hohen Meister- und Großmeistergraden. Erst 2017 bekam er den 7. Dan im Judo vom Deutschen Dan-Kollegium (DDK), beim Deutschen Judo-Bund absolvierte er die dort höchste Prüfung zum 5. Dan. Beim Goshin-Jitsu-Verband Bayern erhielt er jeweils den 3. Dan in Jiu-Jitsu, Ju-Jutsu und Goshin-Jitsu, bei der World Budo und Kobudo Federation (WBKF) den 1. Dan in Rigo Ryu Budo-Jiu Jitsu. Auch im Kyudo, dem japanisches Langbogenschießen mit dem 2,25 Meter langen Bogen, bestand er 2009 die Prüfung zum 1. Dan. Auch die russische World Combat Sambo Federation (WCSF) wurde auf Possenriede aufmerksam und lud ihn und einige seiner Schweitenkirchener Trainingskollegen 2016 nach Moskau zur Combat Sambo- und zur Stenka-Weltmeisterschaft ein. Possenriede und seine Kollegen Harald Bäs-Fischelmair und Hubert Berndt vom FCS bereiteten die Teilnehmer aus 21 Nationen auf die WM vor. Ein Jahr später wurde Possenriede der 6. Dan in Combat Sambo verliehen, 2019 gab es den 3. Dan in Stenka. "Der 6. Dan in Combat Sambo ist der höchste Großmeister-Dan-Grad in der Welt außerhalb von Moskau - zumindest bei diesem Verband", erklärt Possenriede stolz. In den vergangenen 55 Jahren hat der Schweitenkirchener damit in neun verschiedenen Kampfsportarten insgesamt 32 Dan-Grade erreicht hat - eine Prüfung zum 33. Dan stand kurz bevor, allerdings lässt es die Gesundheit nicht mehr zu.

Possenriede lebt das Ehrenamt wie kaum ein anderer, alleine beim FCS ist er unter anderem 37 Jahre Vorsitzender der Leichtathletik-Sportabzeichen-Abteilung. Außerdem war er 20 Jahre lang Vorsitzender der Judo-Abteilung, seit 16 Jahren gehört er zum Vorstand des Gesamtvereins - erst als Schriftführer, mittlerweile als Zweiter Vorsitzender. "Insgesamt war ich ab 1968 ununterbrochen 51 Jahre in Führungspositionen verschiedener Vereine in Niedersachsen, Berlin und Bayern", erzählt er. Zudem war er noch 30 Jahre lang Kampfrichter sowie 43 Jahre lang Judo-Gürtelprüfer beim Bayerischen Judo-Verband. Beim DDK ist er Gürtelprüfer seit 50 Jahren, seit über 30 Jahren ist er zudem Prüfer der Sportler beim Deutschen Sportabzeichen.

Die Liste der Ehrungen ist daher lang: Erst 2017 wurde ihm das das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Außerdem wurde Possenriede unter anderem mit dem Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste im Ehrenamt und der Verdienstnadel in Gold mit Brillant und Kranz mit Urkunde des Bayerischen Landessportverbandes (BLSV) ausgezeichnet. Vom Bayerischen Judo-Verbandes erhielt er die höchste Auszeichnung, die Ehrennadel in Gold mit Kranz.

Ein langes Sportlerleben, das noch lange kein Ende gefunden hat. Auch wenn Possenriede mittlerweile im Rollstuhl sitzt. "Ich schaue mir trotzdem das Training an. " Possenriede gibt weiter Tipps und Anweisungen, in Schweitenkirchen hören die Sportler sowieso auf ihn. "Ich gebe nicht auf. Ich will bald wieder Selbstverteidigungslehrgänge geben" Ohne Sport geht es eben nicht. Nicht einen einzigen Tag.

kvr