Ingolstadt
"Ich darf stottern"

Stefan Hoffmann zählt auf die Selbsthilfegruppe und ist heute beim Gesundheitstag

06.07.2012 | Stand 03.12.2020, 1:18 Uhr

Stefan Hoffmann ist Stotterer und trägt es mit Humor - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Er redet wie ein Wasserfall: Wenn Stefan Hoffmann vom Stottern spricht, ist ihm nicht anzumerken, dass er ein Betroffener ist. Angespornt vom Film „The King’s Speech“ gründete er voriges Jahr mit anderen Mitstreitern eine Selbsthilfegruppe für Stotterer, die gut ankommt.

Alle vier Wochen treffen sich die Stotterer aus Ingolstadt und Umgebung nun schon seit über einem Jahr montags im Bürgerhaus Alte Post und unterstützen sich gegenseitig. Auch beim Gesundheitstag am heutigen Samstag in der Fußgängerzone sind von etwa 10 bis 14 Uhr Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe am Stand des Bürgerhauses vertreten, um interessierten Menschen Auskunft zu geben.

Eine gute Gelegenheit, unverbindlich Kontakt zu knüpfen. Hoffmann weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es für einen Stotterer ist, die Hemmschwelle und Schüchternheit zu überwinden: „Bei mir lag die Adresse der Selbsthilfegruppe ein Jahr lang in der Schublade, bevor ich zum ersten Mal hinging“, erinnert er sich.

Dieser Schritt veränderte sein Leben: Stefan Hoffmann erlebte damals, mit 23 Jahren, sein „Coming out“ im Kreise anderer Betroffener. „In der Selbsthilfegruppe herrscht kein Druck, es besser machen zu müssen. Und man hat ein Sicherheitsnetz, wenn man Rückfälle erleidet.“ Heute sagt der Stotterer: „Die Selbsthilfegruppe ist meine Therapie.“

Therapien: Stotterer absolvieren oft eine nach der anderen – mit mäßigem Erfolg. „Viele sprechen zwar ganz schnell flüssig, aber die Erfolge sind oft nicht nachhaltig. Fleiß, Konzentration und Spannung lassen nach – dann kommt das Stottern wieder“, sagt der Ingolstädter.

Von 1998 bis 2001 war Stefan Hoffmann stellvertretender Vorsitzender des Weltstotterer-Verbands (ISA). Damals knüpfte er zahlreiche Kontakte, unter anderem zu Moussa Doa aus Burkina Faso. Wie es der Zufall will, kommt der Westafrikaner bald nach Ingolstadt – in die Unicef-Kinderstadt, die gerade Spenden für drei Schulen in der Kommune Legmoin in Burkina Faso sammeln will.

Aus diesem Grund veranstaltet die Selbsthilfegruppe am Freitag, 20. Juli, ab 19.30 Uhr ein Treffen im Bürgerhaus, zu dem alle Interessierten eingeladen sind. Moussa Dao, von Beruf promovierter Pharmakologe, wird erzählen, wie er durch das Stottern in der ganzen Welt herumgekommen ist. Er berichtet vielleicht auch von „Heilmethoden“ in seiner Heimat: So wurde Stotterern manchmal brutal die Zunge abgeschnitten.

Zu dem außerordentlichen Treffen kommt auch Thomas Krall, Gründungsmitglied der ISA und Experte für das Thema Stottern und Schule. Krall ist Lehrer und kann Eltern wichtige Ratschläge geben.

Auch wenn er flüssig sprechen kann – Stefan Hoffmann würde nie behaupten, er sei geheilt. „Das erhöht den Druck. Ich darf stottern – das ist mein Trick.“ Mit diesem Trick hat er es weit gebracht: Der 44-Jährige arbeitet bei Audi im Vertrieb, zuständig für China. Natürlich spricht er fließend Chinesisch.