"Ich bin infiziert von Wagner"

27.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

"Ich wünsche mir, dass Bayreuth seinen typischen Charakter behält", sagt Arnold Bezuyen. - Foto: Quast

Bayreuth (DK) Heute enden die diesjährigen Bayreuther Festspiele. Wolfgang Wagners letzte Saison, eine Übergangssaison vor der großen Entscheidung, über die der Stiftungsrat bekanntlich am Montag beraten wird. In punkto Regie von höchsten Höhen (Herheims "Parsifal") und tiefsten Tiefen (Dorsts "Ring") geprägt, war sie immerhin zum Beispiel für Arnold Bezuyen eine große Erfolgssaison.

Arnold Bezuyen, warum immer wieder und regelmäßig Bayreuth

Arnold Bezuyen: Weil Bayreuth für mich Richard Wagner ist, dessen Musik für mich eine ganz spezielle Herausforderung ist. Ich bin infiziert von Wagner. Jeder, der hier arbeitet, ist es. Auch die Dirigenten, auch das Orchester, das ja aus den besten Musikern der Welt besteht. Es ist auch diese Qualität, die mich immer wieder hierher zieht. Das Publikum erwartet in Bayreuth zu Recht das Beste – das ist ein großer Ansporn für mich als Sänger.

Leider gibt es auch in Bayreuth immer wieder "Aussetzer". Der "Ring" bräuchte einen neuen Siegmund!

Bezuyen: Das ist eine der großen Traum-Partien, die mei- ner Stimme ideal liegen. Wenn Bayreuth da auf mich zukäme, würde ich sofort ja sagen.

Die Stimme schien in diesem Jahr noch klangschöner, noch voller als in den letzten Jahren. Ein Loge, der schon etwas vom Lohengrin auf den Stimmbändern hatte. Wohin geht es in Sachen Wagner

Bezuyen: Ich glaube, dass ich mit viel Selbstkritik meine Stimme weiter entwickelt habe. So bin ich jetzt auch den großen lyrischen Partien wie Lohengrin und Stolzing gewachsen. Allerdings würde ich sie gerne erst in anderen Häusern singen, um sie zu hundert Prozent auszufeilen. In Bayreuth sind für mich derzeit die großen Charakter-Partien wie Loge und Mime besser, Herausforderungen dürfen aber auch da gerne kommen.

Weitere Pläne jenseits der Bayreuther Festspiele

Bezuyen: Ich freue mich 2009 besonders auf die Titelpartie im "Faust" (von Philippe Fénelon) in Paris – und natürlich auf Loge im "Ring" von Los Angeles in der Regie von Achim Freyer und im Baden-Badener Thielemann-"Ring" 2011.

Können Sie Loge denn noch leiden

Bezuyen: Es ist gar nicht schlecht, im Leben einige Partien zu haben, in denen man sich austoben kann, weil man sie so gut kennt und kann. Meine Herausforderung besteht in neuen Sichtweisen dieser Figur. Ich freue mich auf einen Regisseur, der mich fordert und hoffe da sehr auf Achim Freyer.

Träume, auf deren Erfüllung Sie hoffen? Ein Haus, an dem Sie singen wollen, Dirigenten, mit denen Sie gerne zusammenarbeiten würden

Bezuyen: Ich habe eigentlich schon mit ganz vielen Top-Dirigenten gearbeitet – wie etwa mit Christian Thielemann. Leider macht er so wenig Oper. Was ich mir dringend wünsche, ist mit Daniel Barenboim und Sir Simon Rattle zu arbeiten. Zudem vermisse ich nach einer langen freischaffenden Zeit doch manchmal das für mich wichtige Ensemblegefühl und könnte mir vorstellen, mit einem Festvertrag und eingeschränkter Vorstellungsanzahl an einem spannenden Haus wie etwa in München zu arbeiten. Partien, die ich sehr gerne singen würde, sind ganz aktuell Herodes und Mime.

Ihr großes schauspielerisches Talent wird immer wieder gerühmt. Wie kommen Sie da mit einem Regisseur wie Tankred Dorst im Bayreuther "Ring" klar, der von Personenführung nicht viel versteht? Haben Sie – wie Kollege Siegel im Fall des Mime – auch Ihren Anteil an der Regie des Loge

Bezuyen: Es war schon Anfang 2006 klar, dass Dorst wenig Erfahrung mit Personenführung hat. Gerade weil ich selbst große Ansprüche daran habe, bemerke ich das bedauerlicherweise nicht nur bei ihm. Ich erwarte, dass ein guter Regisseur die Sache in der Hand nimmt. Regisseuren wie Willy Decker, Stefan Herheim oder Harry Kupfer muss man nichts sagen – die wissen genau, was sie wollen. In Bayreuth war das mit Dorst anders: Wie Kollege und Freund Siegel habe ich einen großen Anteil an der Regie des Loge, wobei noch lange nicht alles akzeptiert wurde, was ich vorgeschlagen habe. Leider.

Zukunft Bayreuth: Welche Neuerungen fänden Sie nötig

Bezuyen: Man sollte auf jeden Fall noch mehr auf Qualität setzen. Die Dirigenten und Musiker sind top, die Bayreuther Regisseure manchmal nicht. Stefan Herheim ist da ein Lichtblick. Bayreuths großes Problem in punkto Sängerbesetzung ist die sehr langfristige Planung. So werden manche Sänger engagiert, die dann beim Einsatz feststellen, dass sie einer Partie doch nicht gewachsen sind. Sie dann noch rechtzeitig auszutauschen – das sollte im Interesse von allen in Zukunft möglich sein. Toll finde ich die Idee des "Public Viewing" – und zwar weiterhin mit einem Stück pro Saison, damit es etwas Besonderes bleibt. Wenn Wagners Jugendwerke im Festspielhaus, dann käme für mich da nur der "Rienzi" in Frage, die beiden anderen Werke finde ich einfach zu schwach.

Ein Sänger-Wunsch an die neue Leitung, die der Stiftungsrat eventuell schon Anfang nächster Woche benennt

Bezuyen: Ich wünsche mir, dass Bayreuth seinen typischen Charakter behält und nicht austauschbar etwa mit Salzburg wird. Das passt einfach nicht – weder vom Haus noch vom Umfeld. Ansonsten hoffe ich, dass nach dieser Übergangssaison bei den Festspielen klare Strukturen geschaffen werden und auch uns Sängern gegenüber wieder mehr kommuniziert wird.